Egon Krenz

Krenz wurde als Sohn eines Schneiders in Kolberg geboren, wo er 1943 eingeschult wurde. 1944 flüchteten seine Eltern mit ihm nach Damgarten. Sein Vater fiel im Zweiten Weltkrieg.[2] Krenz beendete im Damgarten 1953 die Schule. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Krenz brach eine Schlosserlehre im VEB Dieselmotorenwerk Rostock ab, studierte von 1953 bis 1957 am „Diesterweg“-Institut für Lehrerbildung in Putbus auf Rügen und schloss mit dem Unterstufenlehrerdiplom ab. Am Lehrerbildungsinstitut war er Sekretär der FDJ-Grundorganisation und ab 1956 auch Mitglied der FDJ-Kreisleitung Rügen. 1955 wurde er Mitglied der SED. Von 1957 bis 1959 diente Krenz bei der Nationalen Volksarmee (NVA) in Prora als Unteroffizier und übte FDJ-Funktionen auf Divisionsebene aus. 1958 war er Delegierter der Parteiorganisation der NVA zum V. Parteitag der SED.


Politische Karriere

Aufstieg in Jugendorganisation und Partei

Krenz wurde 1959 zuerst 2., dann 1. Kreissekretär der FDJ im Kreis Rügen. Ab 1960 war er 1. Sekretär der Bezirksleitung Rostock der FDJ. 1961 wurde er Sekretär des Zentralrates der FDJ und war verantwortlich für die Arbeit des Jugendverbandes an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Von 1964 bis 1967 studierte Krenz an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau und schloss als Diplomgesellschaftswissenschaftler ab. Anschließend, von 1967 bis 1974, war er Sekretär des Zentralrates der FDJ, verantwortlich für Agitation und Propaganda sowie für die Arbeit der FDJ an den Schulen. Gleichzeitig arbeitete er von 8. Februar 1971 bis 9. Januar 1974 als Vorsitzender der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“. Von 1974 bis 1983 hatte er die Funktion des Ersten Sekretärs des Zentralrates der FDJ inne.

Von 1971 bis 1990 war Krenz Abgeordneter der Volkskammer der DDR, von 1971 bis 1981 war er außerdem Mitglied ihres Präsidiums. 1973 wurde Egon Krenz Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED. Von 1981 bis 1984 war Krenz Mitglied des Staatsrates der DDR. 1983 wurde er zum Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED für Sicherheitsfragen, Jugend, Sport, Staats- u. Rechtsfragen gewählt. Mit der Ernennung zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates wurde Krenz 1984 zum zweiten Mann hinter Erich Honecker.

Wendezeit

Krenz war im Mai 1989 als Leiter der Zentralen Wahlkommission für die Ergebnisfälschungen bei der Kommunalwahl mit verantwortlich. Zur blutigen Niederschlagung des Studentenaufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking äußerte er am 8. Juni 1989 in der Aktuellen Kamera seinen Beifall.[3]

Die Furcht vor einer „Chinesischen Lösung“ musste sich in der DDR noch verschärfen, als Krenz während der Anfänge der revolutionären Entwicklungen am 1. Oktober 1989 zum 40. Jahrestag der Gründung der VR China dorthin reiste. Danach setzte er sich jedoch als verantwortlicher ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen und Wortführer innerhalb der jüngeren Kräfte in der SED-Parteiführung für eine friedliche Reaktion der Sicherheitskräfte bei den Montagsdemonstrationen ein. Allerdings verbot erst der Befehl 9/89, den Krenz am 13. Oktober gemeinsam mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Streletz an Honecker vorbei formulierte,[4] den Gebrauch von Schusswaffen bei Demonstrationen. Zuvor war die Nationale Volksarmee für den 6. bis 9. Oktober in „erhöhte Gefechtsbereitschaft“ versetzt worden. Zu den für alles Weitere entscheidenden Leipziger Ereignissen am 9. Oktober unterscheiden sich Krenz’ Darstellung und die Angaben der Leipziger Menschenrechtsgruppen 1989[5] erheblich. Während ersterer mit Bezug auf sich selbst schreibt, dass die „Weichen für die Zurückhaltung der Einsatzkräfte […] in Berlin gestellt“ worden seien,[6] waren deren Leiter, der Polizeipräsident und der SED-Bezirksleitungschef von Leipzig während der Demonstration mit ihren Entscheidungen, die erst nachträglich von Krenz gebilligt wurden, weitgehend auf sich selbst gestellt.

Was auch immer vorher in Berlin als umorientierende „Weichenstellung“ gelaufen sein mag,[7] war offenbar nicht bis zur Basis der NVA „durchgestellt“ worden. Noch am Nachmittag wurde MG-Schützen bei Befehlsverweigerung mit Militärgericht gedroht.[8]

Trotz des desolaten Gesundheitszustandes und der Wirklichkeitsvergessenheit Honeckers, die große Gefahren in sich barg, wurde ihm erst Mitte Oktober 1989 durch das Politbüro der Rücktritt nahegelegt. Am 18. Oktober wurde der „Kronprinz“[9] Krenz sein Nachfolger als Generalsekretär des ZK der SED. In der Antrittsrede verwendete Krenz erstmals DDR-offiziell den Wende-Begriff.[10] Dabei war die Stabilisierung der SED-Herrschaft als Ziel klar vorgegeben:

„Mit der heutigen Tagung werden wir eine Wende einleiten, werden wir vor allem die politische und ideologische Offensive wieder erlangen.[11][12]

Krenz wurde am 24. Oktober 1989 außerdem Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR. Er verließ mit seiner Frau und seinem Sohn die Wohnsiedlung für die Mitglieder des SED-Politbüros Waldsiedlung Wandlitz bei Berlin und wollte „damit ein Signal setzen“.[13]

Für den 1. November folgte er einer Einladung Gorbatschows nach Moskau. Dazu heißt es in dem Buch Endspiel:[14] „Egon Krenz heizte die Stimmung am 1. November nochmals an. Auf einer Pressekonferenz in Moskau […] sagte er, alles was sich in den letzten Tagen und Wochen positiv entwickelt habe, sei das Ergebnis von Politbüro und ZK der SED.“ Jedoch bezeichnete er dies in seinem Buch von 1990[15] als einen „Fehler“:

„Ich hatte davon gesprochen, dass meine Partei eine Wende eingeleitet hat. Ich wollte dabei aber sagen, dass wir in der Partei eine Wende eingeleitet hatten. So verstanden viele: Die Wende durch das Volk hatte es gar nicht gegeben. Die hatte allein die Partei ‚ganz oben‘ gemacht. Das hatte ich natürlich nicht gemeint, und dieser Ausrutscher tat mir leid.“

Diese reuige Darstellung ist wenig bekannt. In seinem Jahre später publizierten tagebuchartigen Bericht[16] stehen 15 Seiten zum 1. November, auf denen die Pressekonferenz (bei 100 Minuten Direktübertragung durch das DDR-Fernsehen) mit keinem Wort erwähnt ist.

Am 3. November unterzeichnete Krenz den Befehl 11/89 im Hinblick auf die für Berlin angekündigte Großdemonstration am Folgetag.[17] Darin hieß es:

„Die Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten.“

Nach dem Mauerfall am 9. November, der ebenfalls ohne Blutvergießen erreicht werden konnte,[18] nahm die Unsicherheit seines Agierens erheblich zu. Bei einer Tagung des „Demokratischen Blocks“ am 11. November zur Vorbereitung des Kabinetts Modrow traf er erstmals mit dem neuen CDU-Vorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Lothar de Maizière zusammen.[19] Seine vorformulierte „kleine Presseerklärung“ zur Tagung charakterisierte dieser als „Hofberichterstattung alten Stils“ und schlug gekürzte Titulierungen vor mit „Herr Generalsekretär Krenz“ ohne Staats- und Verteidigungsrat usw. Dazu Krenz mit Papier und Stift: „Können Sie mir das noch einmal sagen.“[20]

Am 29. November[21] versuchte er, auf den Zug des Aufrufs „Für unser Land“ aufzuspringen.[22][23] Dieser enthielt das Plädoyer für eine vorerst[24] eigenständige, sozialistische DDR.

Am 3. Dezember 1989 trat das Politbüro des ZK der SED (einschließlich Egon Krenz) nach massiven Protesten auch aus der Basis der Partei geschlossen zurück. Krenz gab am 6. Dezember den Vorsitz des Staatsrates ab. Im Januar 1990 legte er sein Volkskammermandat nieder und wurde aus der inzwischen umbenannten SED-PDS unter Gregor Gysi ausgeschlossen. Mit dieser Aussage endet sein Buch aus dem gleichen Jahr.[25]

Verurteilung und Haft

Nach 1991 wurde Egon Krenz als Zeuge in verschiedenen Strafverfahren gegen frühere Repräsentanten der DDR vernommen. 1992 bestritt er, in seiner Funktion als oberster Wahlleiter der DDR die systematischen Wahlfälschungen bemerkt zu haben. Dem widerspricht allerdings eine frühere Aussage Krenz’ auf der 12. ZK-Tagung der SED im Dezember 1989. Dort sagte er über die Kommunalwahlen im Mai:

„Selbstverständlich ist mir klar und bewußt, auch aus heutiger Sicht, daß das erzielte Wahlergebnis mit der tatsächlichen politischen Situation im Lande weder damals noch heute übereingestimmt hat. Es gab aber keine andere Möglichkeit, ein anderes Wahlergebnis bekanntzugeben, weil es so entsprechend den Protokollen, die auch in den Kreisen existieren, zusammengestellt worden ist. Würden wir jetzt, wie das einige vorschlagen, diese Frage neu aufrollen, Genossinnen und Genossen, ich habe die Furcht, dann räumen wir nicht nur Positionen, die wir noch besitzen, dann können wir ganz nach Hause gehen. Ich bitte, das nicht zu Protokoll zu nehmen.“[26]

1993 stritt er die Verantwortung der früheren Mitglieder des DDR-Verteidigungsrates für die Verhältnisse an der innerdeutschen Grenze ab. Ab 1993 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Krenz wegen des Waffengebrauchs der DDR-Grenztruppen gegen Flüchtlinge (Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze) und Anstiftung zur Wahlfälschung.

Die Berliner Staatsanwaltschaft erhob im Juni 1993 Anklage wegen „Totschlags und Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR“. Egon Krenz bezeichnete die Anklage wegen der Todesfälle als „verfassungs- und völkerrechtswidrig“. Es kam zum sogenannten Politbüroprozess. Auch im Februar 1996 sprach er der bundesdeutschen Justiz das Recht ab, über frühere Bürger der DDR zu Gericht zu sitzen. Im Juni 1997 bedauerte Krenz vor Gericht einerseits die Opfer an der innerdeutschen Grenze, wies jedoch andererseits seine Verantwortung zurück. Im August verurteilte eine große Strafkammer des Landgerichts Berlin Egon Krenz wegen Totschlags in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Aufgrund einer Haftbeschwerde kam er im September nach 18 Tagen aus der Haft frei. Aus diesen Tagen stammt ein kontroverser und zeitgeschichtlich bedeutsamer Briefwechsel mit Friedrich Schorlemmer, der gesagt hatte, Krenz solle froh sein, „in Moabit und nicht in Bautzen zu sitzen“.[27] - Im November wurde das Verfahren wegen Wahlfälschung gegen ihn eingestellt.

Im November 1999 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision gegen das Urteil von 1997, das damit rechtskräftig wurde. Egon Krenz bezeichnete das Urteil als „Kalten Krieg im Gerichtssaal“. Seine Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht am 11. Januar 2000 zurückgewiesen. Seine Haftstrafe musste er am 13. Januar in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Hakenfelde antreten. Am 24. Januar wurde Egon Krenz in die Justizvollzugsanstalt Plötzensee verlegt. Am 22. März 2001 verwarf der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig die von Krenz eingelegte Menschenrechtsbeschwerde.[28]

Am 18. Dezember 2003 wurde Krenz – nach Verbüßung von nicht ganz vier Jahren – aufgrund eines Beschlusses des Kammergerichts vorzeitig aus der Haft entlassen, der Rest der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Er war schon länger Freigänger im offenen Vollzug und musste nur noch nachts in die Haftanstalt. Tagsüber war Krenz am Flughafen Berlin-Tegel bei der Fluggesellschaft Germania beschäftigt, für die er ausrangierte Flugzeuge nach Russland verkaufen sollte. Er wohnt seitdem im mecklenburgischen Ostseebad Dierhagen.

Leugnung des Schießbefehls

Als 2007, zehn Jahre nach der ersten Publizierung in Matthias Judts „DDR-Geschichte in Dokumenten“, der Schießbefehl an Angehörige einer Spezialeinheit des Ministeriums für Staatssicherheit innerhalb der Grenztruppen, die „die Bewachung der Bewacher“ zu übernehmen hatten, erneut in den Medien publiziert wurde[29] („Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben.“[30]), leugnete Krenz erneut die Existenz der „Schießbefehle“: „Es hat einen Tötungsbefehl, oder wie Sie es nennen ‚Schießbefehl‘, nicht gegeben. Das weiß ich nicht aus Akten, das weiß ich aus eigenem Erleben. So ein Befehl hätte den Gesetzen der DDR auch widersprochen.“[31][32]

Weitere Aktivitäten

Krenz war Ehrengast zum 125. Geburtstag Ernst Thälmanns am 16. April 2011 in Hamburg[33] und hielt eine Rede vor den knapp 100 überwiegend kommunistischen Gästen.[34] Darin würdigte er die Leistungen Thälmanns und beklagte gleichzeitig, dass dessen Verdienste heute nicht mehr gewürdigt werden.[35] Zur untergegangenen DDR meint er, dass er nicht die deutsche Einheit „an sich“ kritisiere, sondern die Art und Weise ihres Zustandekommens, und sagte, „… auch ich schaue mit Zorn auf die Verbrechen, die unter falscher Flagge im Namen des Kommunismus verübt wurden“.[33]

Krenz gehört zu den Autoren der Mitteilungen der Kommunistischen Plattform, die mit der DKP und der KPD zusammenarbeitet.

Rezeption und Wirkung

In der Zeitschrift Geschichte für heute spielt Saskia Handro zum Anlass „Zwanzig Jahre Friedliche Revolution“ auf Barbara Tuchmans Formulierung an, dies sei „Zeitgeschichte, die noch qualmt“.[36] Von einem Konsens über die am nachhaltigsten wirkende ideologische Wortschöpfung des Egon Krenz, den Begriff der Wende in der DDR, im Verhältnis zum Terminus Friedliche Revolution ist man nach wie vor weit entfernt.[37] Sehr grundsätzlich hat sich Rainer Eppelmann, Bürgerrechtler und nachmaliger Minister für Abrüstung und Verteidigung im Kabinett von Lothar de Maizière, dazu geäußert. Er ist Mitautor einer Analyse unter dem Motto[38] „Sind wir die Fans von Egon Krenz?“ Dort[39] heißt es zur Bezeichnung Wende: „Ihr Gebrauch deutet … darauf hin, dass die ostdeutsche Revolution fundamental missverstanden wird.“ Im gleichen Sinne protestiert Lothar de Maizière dagegen, dass „die Zeit des Herbstes 1989 als ‚Wende‘ bezeichnet wird und damit ein Begriff von Krenz aufgegriffen wird, statt sie als das zu bezeichnen, was sie wirklich war, nämlich die Zeit einer friedlichen Revolution“.[40] Ebenfalls mit nachdrücklicher Distanzierung zur Wende-Proklamation des Egon Krenz schrieb die deutsche Bundesregierung zum Jahrestag 20 Jahre Mauerfall unter dem Titel „Wende“? „Friedliche Revolution“? „Mauerfall“?[41] zu seiner Begriffsbildung, das Schlagwort sei kurz und griffig. „Dennoch ist der Begriff ‚Wende‘ nicht überall willkommen. Viele betrachten ihn als sprachlichen Vereinnahmungsversuch.“

Auch wenn dieser Versuch von Krenz in seinem Buch von 1990, in dessen Titel immerhin die Friedliche Revolution vorkommt, mit dem weiter oben (im Abschnitt Wendezeit) gebrachten Zitat[42] relativiert wurde, wird der Wende-Begriff wegen seiner Herkunft nicht nur in der Politik, sondern auch in der Geschichtswissenschaft[43] und der Pädagogik[44] kaum benutzt. Im Alltag ist allerdings die Bezeichnung Wende mit ihrer verführerischen Kürze und Beliebigkeit unschlagbar. Das wird wohl so bleiben, da die meisten unabhängig von ihrer Meinung zu Krenz „außerordentlich resistent gegen Umakzentuierungen sind“.[45]

„Aber es ist ein Gebot historischer und persönlicher Rechtschaffenheit, seine Rolle bei dem gewaltlosen Ende anzuerkennen. … Es gibt gewissermaßen keine ästhetisch-politische Kategorie für ihn.“

Dies schrieb anlässlich des 20. Jahrestages der Mauer-Öffnung Frank Schirrmacher als Mitherausgeber der FAZ[46] nach einem ausgiebigen Gespräch mit Egon Krenz. Dieses Statement ist besonders bemerkenswert angesichts der nachfolgenden Aussage: „Keine Sekunde hätte man in dem leben wollen, was heute vor zwanzig Jahren zu Ende ging.“

Im Vorfeld des 75. Geburtstages von Egon Krenz am 19. März 2012 titelte die sächsische Freie Presse: Der vorletzte DDR-Staatsratsvorsitzende wird 75.[47]

„Egon Krenz sieht sich noch immer als Opfer.“

Dazu wird aus dem Vorwort seiner Gefängnis-Notizen[48] zitiert, aber auch an das obige Schirrmacher-Zitat erinnert. Zuvor geht es um die Aufregung nach der Feier zu seinem 70. Geburtstag,[49] bei dem Kinder der örtlichen KiTa Dierhäger Krabben dem prominenten und spendenfreudigen Bewohner des Ostseebades Dierhagen fröhliche Lieder vorgetragen hatten. Obwohl der parteilose Bürgermeister von „Heckenschützerei“ sprach und die KiTa-Leiterin die Aufregung „albern“ fand, scheinen fünf Jahre später öffentliche Ehrungen ausgeblieben zu sein.[50] Ihre Begründung „Herr Krenz hat seine Strafe abgesessen und ist ein freundlicher Mensch.“ sei nicht selten. Sie lasse seine nach wie vor mangelnde Einsicht unberücksichtigt, dass unter seiner Mitverantwortung an der innerdeutschen Grenze Menschen erschossen wurden. Auch an seine Befürwortung der blutigen Niederschlagung des Studentenaufstandes in Peking im Juni 1989, die die Bürgerrechtler in Angst und Schrecken versetzte, erinnerte die Presse noch einmal.

Im Zusammenhang mit den am Ende des vorigen Abschnitts erwähnten Aktivitäten steht, dass 2009 ein schriftlicher Antrag von Mitgliedern der Linken, den vom Spiegel so genannten „Krenz-Truppen“, an die Parteiführung gestellt wurde, Egon Krenz (wieder) aufzunehmen. Diese konstatierte die unveränderte Gültigkeit seines Ausschlusses aus der SED/PDS vom 21. Januar 1990 (siehe Abschnitt Wendezeit). Auch gab es eine Absprache des Bundesgeschäftsführers der Nachfolgepartei mit Krenz, dass dieser keinen Aufnahmeantrag stellen werde.[51] Jedenfalls bleibt der Umstand bestehen, dass man selbst innerhalb dieser Partei von einem Konsens über das Verhältnis zu Egon Krenz weit entfernt ist.


Erich Mielke

Erich Mielke wuchs in Berlin-Wedding als Sohn eines Stellmachers in einem proletarischen Umfeld auf.[1] Die sechsköpfige Familie – Mielke hatte drei Geschwister – bewohnte eine 30-Quadratmeter-Wohnung. Seine Eltern zählten 1918 zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).[2] Infolge einer Begabtenauswahl erhielt Mielke 1923 einen Freiplatz am Köllnischen Gymnasium. Er verließ die Schule wegen Schwierigkeiten beim Erlernen der klassischen Sprachen bereits nach einem Jahr und absolvierte anschließend bis 1927 eine Lehre als Speditionskaufmann. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung arbeitete Mielke zuletzt bei einer Firma des Siemens-Konzerns, die ihn im Januar 1931 wegen eines Arbeitskampfs entließ.

 

Schon 1921 war Mielke dem KJVD beigetreten. Eigenen Angaben zufolge wurde er 1925 Mitglied der KPD. Auch der Roten Hilfe und dem Roten Frontkämpferbund (RFB) gehörte Mielke an. Im RFB hatte er die Funktion eines „Schriftführers und Kulturobmanns“ inne. Wegen der Teilnahme an einer verbotenen KPD-Demonstration in Leipzig verbüßte Mielke 1930 eine mehrtägige Ordnungsstrafe im Polizeigefängnis am Alexanderplatz. Arbeitslos geworden, beschäftigte ihn 1931 die kommunistische Rote Fahne, wobei eine Tätigkeit als „Lokalreporter“ ins Reich der Legende gehört.[3] Ebenfalls gehörte Mielke dem 1931 gegründeten Parteiselbstschutz, einer paramilitärisch organisierten und bewaffneten Gruppe der Partei, an. In dieser Eigenschaft erschossen er und das Selbstschutzmitglied Erich Ziemer am 9. August 1931 auf dem Bülowplatz in Berlin die Polizeioffiziere Paul Anlauf und Franz Lenck auf offener Straße.[4] Die KPD schaffte die beiden daraufhin einige Tage später in die Sowjetunion. Mielke behauptete später, die NS-Justiz hätte ihn 1934 „in Abwesenheit verurteilt zum Tode (Bülowplatz)“. Tatsächlich war das Verfahren gegen ihn durch Beschluss vom 23. April 1934 gemäß § 205 StPO noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens eingestellt worden, da man seiner nicht habhaft werden konnte.[5]

 

In Moskau erhielt er von 1932 bis 1936 eine politische und militärische Ausbildung an der Lenin-Schule und kämpfte von 1936 bis 1939 unter dem Decknamen Fritz Leissner im Spanischen Bürgerkrieg bei den Internationalen Brigaden. Zuletzt im Range eines Hauptmanns, versah Mielke nach eigenen Angaben vor allem Stabsdienst in den Führungen der XI. und XIV. Brigade sowie Aufgaben als „Kaderoffizier“ (Politoffizier) in der 27. Division. Unter anderem war er zuständig für das Umsetzen der Stalinschen Säuberungen in diesen Einheiten. Walter Janka soll, wie andere Spanienkämpfer auch bezeugen, „... Erich Mielke als Offizier der SIM, der stalinistischen Geheimpolizei in Spanien“ (Servicio de Investigación Militar) gesehen haben.[6]

 

In der Endphase des Spanischen Bürgerkrieges begab sich Mielke im Februar 1939 über die Pyrenäen nach Frankreich, wo er zusammen mit anderen Interbrigadisten zunächst interniert wurde, dann aber nach Kontaktaufnahme mit der KPD-Leitung im Mai 1939 auftragsgemäß nach Belgien ging. Entgegen einer später von ihm verbreiteten Legende hielt sich Mielke unter seinem Klarnamen in Belgien auf und wurde nicht aus Deutschland ausgebürgert. Die Staatsanwaltschaft Berlin verzichtete auf ein Auslieferungsersuchen für Mielke. Sie sah die Polizistenmorde als ein „politisches Verbrechen“ an, wofür der Auslieferungsvertrag mit Belgien keine Auslieferung erlaubte.[7]

 

Unter dem Decknamen Gaston war Mielke bis in die Monate nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Mitherausgeber der für Deutschland bestimmten und bis Februar 1940 illegal von der KPD im Grenzgebiet zu Belgien verbreiteten Neuen Rheinischen Zeitung. Die deutsche Invasion veranlasste die Regierung Belgiens im Mai 1940 zum Abtransport aller deutschen Staatsangehörigen in französische Internierungslager.

 

Mielke kam Ende Mai 1940 in das Lager Cyprien, aus dem er im August 1940 nach Toulouse flüchtete. Vermutlich hatte Mielke im September 1940 Unterschlupf in einem französischen Arbeitskommando für Ausländer gefunden. Im Sommer 1941 nahm Mielke eine weitere Identität als „Richard Hebel“ an und erbat bei dem KPD-Funktionär Willi Kreikemeyer in Marseille Hilfe bei der Ausreise nach Mexiko und materielle Unterstützung, die er erhielt.[8] Nachdem deutsche Truppen infolge der Landung der Amerikaner in Nordafrika im November 1942 Südfrankreich besetzt hatten, löste sich die Marseiller Emigrantenszene auf. Verbürgt sind jedoch spätere Kontakte der KPD-Gruppe in Toulouse, wo Mielke sich Leisner nannte, zur Parteiführung in Moskau. Im März 1943 telegrafierte von dort der KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck, der das Pseudonym entschlüsselt hatte: „Sicherung Leisner wegen Bülowplatzsache“.[9] Im Januar 1944 wurde Mielkes Arbeitskommando, innerhalb dessen eine deutsche kommunistische Zelle existierte, in die deutsche Organisation Todt integriert, in der er bis zum Kriegsende verblieb. Genauere Angaben fehlen. Mielke schlug sich nun individuell in Richtung seiner Heimatstadt Berlin durch, wo er am 14. Juni 1945 erschien und sich bei der KPD meldete

 

Mielke wurde sofort Leiter der Polizeiinspektion Berlin-Lichtenberg im sowjetischen Sektor. Außerdem wurde ihm im Zentralkomitee der KPD die Funktion des Abteilungsleiters für Polizei und Justiz übertragen. Vom Juli 1946 an war er Vizepräsident der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI), die mit Gründung der DDR in Ministerium für Inneres umbenannt wurde, und innerhalb derer er ab Mai 1949 die Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft aufbaute.

 

Bei der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, „Stasi“) im Februar 1950 wurde Wilhelm Zaisser als Leiter eingesetzt und Erich Mielke, neben Joseph Gutsche und anderen, einer seiner Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs. Im gleichen Jahr wurde er auch Mitglied des Zentralkomitees der SED. Der Prozess gegen den westdeutschen KPD-Bundestagsabgeordneten Kurt Müller wurde maßgeblich von Mielke vorbereitet. Nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 wurde Zaisser abgesetzt, Ernst Wollweber übernahm die Leitung des MfS. 1957 entließ Walter Ulbricht Wollweber auf dessen Wunsch, und Mielke wurde zum Leiter des MfS ernannt. Diese Position bekleidete er bis zum 7. November 1989. Zur Zeit von Mielkes Amtsantritt hatte die Behörde rund 14.000 hauptamtliche Mitarbeiter, 1989 schätzungsweise 91.000.

 

Von 1958 bis 1989 war Mielke Abgeordneter der Volkskammer.

 

Ab 1971 wurde Mielke Kandidat und ab 1976 Vollmitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED. Von 1960 bis 1989 war er Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (NVR), ab 1980 Armeegeneral.

 

Am 7. November 1989 trat Mielke zusammen mit der gesamten Regierung Stoph zurück, am folgenden Tag zusammen mit dem gesamten Politbüro des ZK der SED. Am 17. November wurde sein Abgeordnetenmandat aufgehoben. Am 3. Dezember 1989 wurde Mielke aus der SED ausgeschlossen, am 7. Dezember 1989 kam er unter dem Vorwurf der „Schädigung der Volkswirtschaft“ und des „Hochverrats durch verfassungsfeindliche Aktionen“ in Untersuchungshaft.[10] Er wurde am 2. Februar 1990 ins Haftkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen verbracht, aus dem er am 8. März 1990 aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde. Im Juli desselben Jahres kam er erneut in Untersuchungshaft, nachdem das Krankenhaus der Volkspolizei die Haftfähigkeit bestätigte, unter anderem wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Rechtsbeugung“. Zunächst kam er in ein West-Berliner Krankenhaus, dann in die Haftanstalten Rummelsburg in Ost-Berlin und anschließend nach Plötzensee. Am 4. Oktober 1990 wurde Mielke auf Antrag seines Anwaltes wegen schlechter Haftbedingungen in die JVA Moabit verlegt, wo er für längere Zeit verblieb. Inzwischen konzentrierten sich die Ermittlungen auf Mielkes Beteiligung an dem Mordanschlag auf dem Bülowplatz im Jahr 1931.

 

Das 1934 eingeleitete Verfahren gegen Mielke wegen des Doppelmords ist seinerzeit vom Landgericht Berlin eingestellt worden, weil Mielke flüchtig war. In einem groß angelegten Prozess sind nach Wiederaufnahme der Ermittlungen im Juni 1934 unter anderem Max Matern wegen seiner Beteiligung am Doppelmord zum Tode verurteilt und hingerichtet und der ebenfalls angeklagte Mittäter und spätere Generalmajor des MfS Erich Wichert zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden.[11] Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Staatsanwaltschaft der Viersektorenstadt Berlin erneut Haftbefehl gegen Mielke erlassen, doch beschlagnahmte die sowjetische Besatzungsmacht die Verfahrensakten. Nach der Wiedervereinigung eröffnete das Landgericht Berlin im November 1991 das Hauptverfahren gegen Mielke wegen der „Bülowplatzsache“.[12] Mielke wurde des Mordes angeklagt. Die vom Februar 1992 bis zum 26. Oktober 1993 geführte Verhandlung endete mit seiner Verurteilung wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Ende 1995 wurde Mielke, nachdem er insgesamt mehr als zwei Drittel der sechs Jahre verbüßt hatte, im Alter von 88 Jahren auf Bewährung entlassen.

 

Mielke starb am 21. Mai 2000 in einem Altenpflegeheim in Berlin-Neu-Hohenschönhausen. Nach seiner Einäscherung im Krematorium Meißen[13] fand er am 6. Juni auf eigenen Wunsch seine letzte Ruhestätte in einem namenlosen Urnengrab auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde.

 

Mielke heiratete 1948 Gertrud Müller (* 1909), hatte eine Adoptivtochter (* 1946) und einen Sohn (* 1948).[14]

 

Mielke soll ein begeisterter Anhänger des Fußballclubs BFC Dynamo gewesen sein. Von 1953 bis 1989 war er erster Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo. Von 1957 bis 1989 war er Mitglied des Vorstandes des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR und Mitglied des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport der DDR.[15]

 

(Seite „Erich Mielke“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. März 2015, 13:01 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Erich_Mielke&oldid=139936344 (Abgerufen: 1. Mai 2015, 15:02 UTC) )


Margot Honecker

Jugend und Ausbildung

Margot Feist wurde als Tochter des Schuhmachers Gotthard Feist (1906–1993) und der Matratzenfabrikarbeiterin Helene im Glaucha-Viertel in Halle an der Saale geboren.[1] Die Eltern gehörten der KPD an, für die sie sich auch nach 1933 illegal engagierten. Ihr Vater Gotthard Feist war in den 1930er Jahren im KZ Lichtenburg, im Zuchthaus Halle und von 1937 bis 1939 im KZ Buchenwald inhaftiert.[2] Die Wohnung der Feists in der Torstraße 36 in Halle war bis 1938 eine von drei Anlaufstellen für Kuriere und Material der KPD-Abschnittsleitung aus Prag.[3] Ihre Mutter Lene Feist starb 1940, als Margot gerade 13 Jahre alt war. Sie absolvierte die Volksschule und war von 1938 bis 1945 Mitglied des Bundes Deutscher Mädel (BDM).[4] Vor ihrer politischen Laufbahn war sie als kaufmännische Angestellte und danach als Telefonistin tätig. Ihr Bruder Manfred Feist war Leiter der Abteilung für Auslandsinformation beim Zentralkomitee der SED.

Politische Karriere in SED und DDR

1945 trat Margot Feist der KPD bei. Mit der Zwangsvereinigung von SPD und KPD wurde sie 1946 Mitglied der SED und arbeitete als Stenotypistin beim FDGB-Landesvorstand Sachsen-Anhalt. 1946 wurde sie zudem Mitglied des Sekretariats des FDJ-Kreisvorstandes Halle, 1947 Leiterin der Abteilung Kultur und Erziehung im FDJ-Landesvorstand und 1948 Sekretärin des Zentralrates der FDJ und Vorsitzende der Pionierorganisation Ernst Thälmann. 1949/1950 wurde Margot Feist Abgeordnete der provisorischen Volkskammer der DDR und 1950 mit 22 Jahren eine der jüngsten Abgeordneten der Volkskammer.

Am 1. Dezember 1952 gebar Margot Feist ihre Tochter Sonja, deren Vater der spätere Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, war. Dies veranlasste den damaligen SED-Generalsekretär Walter Ulbricht, Honecker zur Scheidung von seiner zweiten Ehefrau Edith Baumann zu bewegen. Daraufhin heirateten Margot Feist und Erich Honecker 1953.

Margot Honecker war zunächst Stellvertreterin des Ministers für Volksbildung Alfred Lemmnitz, und wurde 1963 Ministerin für Volksbildung der DDR. Sie wirkte maßgeblich am „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom 25. Februar 1965 mit.[5] 1978 führte sie gegen den Widerstand der Kirchen und vieler Eltern den Wehrunterricht für Schüler der 9. und 10. Klassen ein.

Neben zahlreichen Auszeichnungen, u. a. dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold (verliehen 1964) und dem Karl-Marx-Orden (verliehen 1977 und 1987), verlieh ihr die Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań (Polen) am 18. Januar 1974 die Ehrendoktorwürde (Dr. h. c.).

Margot Honecker war die laut Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse neben Stasi-Chef Mielke meistgehasste Person des DDR-Regimes.[6] In ihrer Funktion als Ministerin für Volksbildung wurde sie vereinzelt zweideutig „Miss Bildung“ genannt und wegen ihrer extravaganten Haartönung als „Blaue Eminenz“[7][8], „Blaues Wunder“ oder „lila Drache“ bezeichnet.[9][10][11]

Wende und Übersiedlung nach Chile

Am 2. November 1989 meldete das DDR-Fernsehen, der Ministerrat habe der Bitte von Margot Honecker entsprochen, sie von ihrer Funktion als Ministerin für Volksbildung zu entbinden. Während ihr Mann am 3. Dezember 1989 aus der SED ausgeschlossen wurde, trat Margot Honecker am 4. Februar 1990 freiwillig aus der PDS, der Nachfolgeorganisation der SED, aus.

Nach der friedlichen Revolution in der DDR gab es Strafanträge gegen Margot Honecker mit dem Vorwurf, sie habe in Fällen von Inhaftierung politisch Unliebsamer oder bei Republikflucht Zwangsadoptionen von Kindern der Betroffenen angeordnet, die Kinder gegen deren Willen von ihren Eltern getrennt und zur Adoption an Fremde weitergegeben.[12] Direkte Anweisungen von ihr an die Jugendhilfen ließen sich jedoch nicht nachweisen.

1993 gab es auch Strafanträge gegen Margot Honecker durch Bundestagsabgeordnete der SPD um Stephan Hilsberg und Margot von Renesse wegen der unmenschlichen Zustände in den Jugendwerkhöfen der DDR, hier insbesondere wegen des einzigen geschlossenen Jugendwerkhofs der DDR in Torgau (Sachsen). Strafanträge einiger ehemaliger Insassen des GJWH Torgau ergingen zeitnah. Sämtliche Ermittlungsverfahren gegen Margot Honecker mussten von der ZERV eingestellt werden, da sie für die bundesdeutsche Justiz nicht mehr greifbar war.

Nach Erich Honeckers kurzzeitiger Verhaftung Ende Januar 1990 wohnte das Ehepaar Honecker zunächst im Pfarrhaus von Uwe Holmer in Lobetal bei Bernau, ab April 1990 dann im Bereich des Militärhospitals der sowjetischen Streitkräfte in Beelitz-Heilstätten. Nachdem im Dezember 1990 erneut Haftbefehl gegen Erich Honecker ergangen war, wurden die beiden im März 1991 vom Flugplatz Sperenberg nach Moskau ausgeflogen. Aus Sorge vor Auslieferung nach Deutschland flüchteten sie dort im August 1991 in die chilenische Botschaft. Erich Honecker wurde im Juli 1992 doch nach Deutschland ausgeliefert; Margot Honecker reiste weiter nach Santiago de Chile zur Familie ihrer Tochter Sonja Yáñez Betancourt, geb. Honecker, die dort mit ihrem damaligen[13] chilenischen Ehemann Leo Yáñez Betancourt und ihrem Sohn Roberto Yáñez Betancourt y Honecker wohnte. Nach der Freilassung aus deutscher Haft im Januar 1993 kam auch ihr Ehemann nach Chile; er starb im Alter von 81 Jahren am 29. Mai 1994 in Santiago de Chile an Leberkrebs.

Den Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland um das beschlagnahmte Vermögen der Eheleute Honecker in Höhe von umgerechnet etwa 60.300 Euro hat sie 1999 verloren.

Margot Honecker lebt in La Reina – einer Vorstadt Santiagos – in einem Haus mit ihrem Enkelsohn.[14] Sie bezieht eine Hinterbliebenen- und Altersrente aus Deutschland.[15]

Äußerungen und Auftritte nach 1989

Im Jahr 2000 veröffentlichte Luis Corvalán, der frühere Generalsekretär der KP Chiles, das Buch Gespräche mit Margot Honecker über das andere Deutschland, in dem sie über die Geschichte der DDR aus ihrer Sicht spricht.

Am 19. Juli 2008 erhielt Margot Honecker anlässlich des 29. Jahrestages der sandinistischen Revolution in Nicaragua von Staatspräsident Daniel Ortega den Rubén-Darío-Orden für kulturelle Unabhängigkeit. Laut Ortegas Ehefrau Rosario Murillo wurde damit Honeckers unermüdliche Unterstützung der landesweiten Kampagne gegen Analphabetismus gewürdigt. Diese Ehrung war der erste öffentliche Auftritt Margot Honeckers nach dem Fall der Mauer. Sie bedankte sich für die Auszeichnung, ergriff aber nicht öffentlich das Wort.[16]

Im Oktober 2009 geriet Margot Honecker in die Schlagzeilen, als im Internet ein Video auftauchte, in dem sie mit einigen weiteren Personen den 60. Jahrestag der Gründung der DDR feiert.[17] In ihrem 2012 erschienenen Buch Zur Volksbildung. Gespräch/Margot Honecker versucht sie die Tatsache zu begründen, dass Schulkinder in der DDR im Wehrunterricht Handgranatenwurf übten und in der neunten Klasse in Wehrlagern mit Kleinkalibergewehren trainierten. Diese Übungen seien für die spätere Landesverteidigung unverzichtbar gewesen. Eine Militarisierung der Schule habe es aus ihrer Sicht in der DDR nicht gegeben. Genauso umstritten sind ihre Äußerungen zum Staatsbürgerkunde-Unterricht in der DDR und zu den Bildungsverboten gegen Andersdenkende. Es sei nicht das Ziel gewesen, die Kinder und Jugendlichen „zu Gegnern des Sozialismus zu erziehen, sondern zu aktiven Mitstreitern und Gestaltern“.[18]

Im April 2011 nahm sie in Havanna als Ehrengast der kubanischen Regierung an der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Niederschlagung der Invasion in der Schweinebucht teil und zeigte sich während der Militärparade auf der Ehrentribüne unmittelbar an der Seite von Staatspräsident Raúl Castro.[19]

Im April 2012 wurde im Ersten die Dokumentation Der Sturz – Honeckers Ende von Eric Friedler ausgestrahlt, die längere Passagen aus drei im Herbst 2011 mit Margot Honecker geführten Interviews enthielt. Hier verteidigte sie den Sozialismus und die Staatssicherheit als Notwendigkeit zum Schutz und meinte, dass es keinen Mauertoten hätte geben müssen („Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern, um diese Dummheit mit dem Leben zu bezahlen.“)[20] Ihre Rente von 1500 Euro monatlich bezeichnete sie als „unverschämt wenig“.[21] Traumatisierte Opfer der Jugendwerkhöfe bezeichnete sie als „bezahlte Banditen“.[22] Gleichzeitig zeigte sie sich davon überzeugt, dass es die DDR nicht umsonst gegeben habe und mit ihr ein „Keim gelegt“ worden sei, dass Deutschland irgendwann die Erfahrungen der beiden Systeme für sich nutzen werde.

Margot Honecker ist Ehrenmitglied der KPD.[23]

Seite „Margot Honecker“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. Dezember 2015, 10:38 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Margot_Honecker&oldid=148861557 (Abgerufen: 1. Januar 2016, 15:39 UTC)


Markus Wolf

Wolfs Vater war der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf (1888–1953), sein Bruder der Filmregisseur Konrad Wolf (1925–1982). Friedrich Wolf, jüdischer Herkunft und aktiver Kommunist, emigrierte mit der Familie 1933 zunächst in die Schweiz, danach nach Frankreich und 1934 in die Sowjetunion. Er überlebte dort (anders als viele andere Kommunisten, die ebenfalls in die Sowjetunion geflohen waren) die Zeit des Großen Terrors (Herbst 1936 bis Ende 1938); ebenso sein Vater. Beide waren im Hotel Lux untergebracht. [1]

 

Von 1940 bis 1942 besuchte Wolf die Hochschule für Flugzeugbau in Moskau, anschließend die aus Moskau nach Kuschnarenkowo im Ural-Vorland evakuierte Parteischule des Exekutivkomitees der Komintern, wo er sich in die Tochter Emmi des früheren KPD-Reichstagsabgeordneten Franz Stenzer (1900–1933) verliebte[2]. Ab 1943 war er Redakteur und Sprecher beim Moskauer Deutschen Volkssender. 1944 heiratete er in Moskau Emmi Stenzer.[2]

 

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Wolf nach Deutschland zurück. Zunächst war er unter dem Decknamen „Michael Storm“ beim neu aufgebauten Berliner Rundfunk tätig, wo er bis 1949 blieb. Wolf war 1945/1946 als Berichterstatter bei den Nürnberger Prozessen akkreditiert.

 

Nach der Gründung der DDR wurde Wolf 1949 als Erster Rat an die DDR-Botschaft in Moskau berufen. Diese Tätigkeit übte er bis 1951 aus.

 

Ab September 1951 beteiligte sich Wolf am Aufbau des als Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung getarnten Außenpolitischen Nachrichtendienstes der DDR (APN) in Berlin. Er wurde stellvertretender Leiter der Hauptabteilung III (Abwehr) des Nachrichtendienstes. 1952 wurde er als Nachfolger von Anton Ackermann zum Leiter des APN berufen. Wolf wurde damit der Leiter eines weltweiten Agentennetzes mit 4600 hauptamtlichen Mitarbeitern, über 10.000 inoffiziellen Mitarbeitern, 1500 Spionen in der Bundesrepublik Deutschland, darunter rund 50 Spitzenquellen. Seine Mitarbeiter in der HvA wurden speziell ausgewählt, waren vielfach besser ausgebildet als normale Stasi-Spitzel und verstanden sich als Elite im Ministerium für Staatssicherheit. 1953 wurde der APN in das Ministerium eingegliedert. Wolf wurde zum Leiter der Hauptabteilung XV (Auslandsaufklärung), deren Bezeichnung ab 1956 noch einmal in Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) umgewandelt wurde. Wolf wurde Generalmajor und war als Spionagechef auch 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, zunächst unter Ernst Wollweber, dann unter Erich Mielke. Wolfs wichtigster Fokus war die Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik Deutschland und Einflussnahme auf die westdeutsche Politik durch gezielte Falschinformationen mit dem Ziel der Destabilisierung.

 

Im März 1976 und nach der Scheidung von seiner ersten Frau Emmi lernte er in Karl-Marx-Stadt Christa Heinrich, eine gelernte Schneiderin, kennen. Er heiratete sie 1976 und weihte sie in seine Geheimdienst-Tätigkeit ein. Für sie war dies kein Problem, denn sie war selbst schon seit Jahren für die Stasi tätig.

 

Wolf wurde 1979 durch Werner Stiller beim Bundesnachrichtendienst auf einem Foto des schwedischen Nachrichtendienstes identifiziert. Es zeigte ihn bei einem Einkauf in Stockholm. Nachdem es seit den 1950er Jahren kein aktuelles Foto von ihm im Westen gegeben hatte und er den Beinamen „Mann ohne Gesicht“ bekommen hatte, war dies sensationell. Seitdem waren seine Reisemöglichkeiten ins westliche Ausland stark eingeschränkt. Dieses Bild wurde dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel von Seiten des BND lanciert und machte Markus Wolf auch der westdeutschen Öffentlichkeit bekannt.[3]

 

Ein seltenes Foto zeigte Wolf am 12. März 1982 bei der Beerdigung seines Bruders auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde. Das Foto schoss der Stern-Fotograf Harald Schmitt, der in seinem Bildband "Sekunden, die Geschichte wurden" berichtete, dass die Negative zu den Fotos aus dem Stern-Archiv "auf mysteriöse Weise" verschwunden seien.

 

Im Mai 1986 wurde Wolf, der den Dienstgrad Generaloberst erreicht hatte, auf eigenen Wunsch beurlaubt. Er ließ sich im August von seiner Frau Christa scheiden. Er begann sein erstes Buch, „Die Troika“, und im Oktober 1986 heiratete er Andrea Stingl, mit der er bis zu seinem Tod zusammen blieb. Stingl hatte vier Monate wegen versuchter Republikflucht in Stasi-Haft gesessen. Dies und Wolfs Frauenverhältnisse im Allgemeinen waren seinem Vorgesetzten Erich Mielke ein Dorn im Auge. Mielke deutete in späteren Zeitungsinterviews an, dass Wolfs Lebenswandel auch zu seinem Ausscheiden im Jahr 1986 führte. [4] Noch im November 1986 wurde Wolf aus dem MfS entlassen.

 

1989 veröffentlichte er sein Buch "Die Troika", das durch selbstkritische Offenheit überraschte. Im September 1989 sprach er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" von seiner Mitverantwortung an den Mängeln der DDR. Später nahm er sogar an Veranstaltungen oppositioneller Gruppen teil und bezeichnete sich selbst als 'Berater' der neuen SED-Politiker, übernahm aber selbst keine Ämter. Am 4. November 1989 trat Wolf auf der Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz als Redner auf. Er bekannte sich zu den Reformen in der DDR, forderte aber auch Anerkennung für die Mitarbeiter des MfS, woraufhin er ausgepfiffen wurde.[5]

 

Wolf behauptete, er habe im Mai 1990 ein Angebot der CIA über eine siebenstellige Summe, eine neue Identität und ein Haus in Kalifornien erhalten.[6] Im Juni 1990 erließ die Bundesrepublik einen Haftbefehl gegen Markus Wolf. Er flüchtete am 27. September 1990, also kurz vor der Wiedervereinigung, mit seinem Sohn Franz aus erster Ehe, seiner Frau Andrea sowie seinem Schwiegervater mit echten Pässen über die DDR-Grenze in die Tschechoslowakei. Wolf hatte sein West-Auto kurz zuvor gegen einen alten Lada getauscht. Das erste Versteck war eine Ferienwohnung im österreichischen Kitzbühel, die ihm sein Freund Heinrich von Einsiedel verschafft hatte. Danach halfen Wolf seine alten Kontakte zum sowjetischen Geheimdienst, und ein KGB-Kurier brachte ihn und seine Frau aus Österreich nach Ungarn und von dort per Flugzeug nach Moskau. Sie blieben ein Jahr im Exil, bis auch die Sowjetunion nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Michail Gorbatschow, dem Augustputsch in Moskau, zusammenbrach.

 

Im September 1991 suchte Wolf erneut Zuflucht in Österreich und beantragte dort politisches Asyl, was abgelehnt wurde. Nach fast genau einem Jahr Exil kehrte er mit seiner Frau, auch auf Anraten ihrer Anwälte, nach Deutschland zurück, um sich den deutschen Bundesbehörden zu stellen.[7] Bundesanwalt Joachim Lampe nahm ihn schon am Grenzübergang Bayerisch Gmain in Gewahrsam. Johann Schwenn übernahm seine Verteidigung.

 

Fast zwei Jahre nach seiner Festnahme begann das Oberlandesgericht Düsseldorf im Mai 1993 den Prozess unter der Anklage auf Landesverrat und Bestechung, mit riesigem Medieninteresse. Das Gericht folgte der Anklage und verurteilte Wolf zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Der mittlerweile 70-Jährige musste nicht mehr in Haft. Zwei Jahre später traf das Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung: Mitarbeiter der HVA mit damaligem Lebensmittelpunkt in der DDR wurden nicht mehr strafrechtlich verfolgt, da die Spionage im Auftrag des souveränen Staates DDR und im Einklang mit ihren Gesetzen erfolgte.[8] Das Urteil gegen Wolf wurde aufgehoben.

 

1996 beantragte Wolf ein Visum für die Vereinigten Staaten, um bei der Veröffentlichung seiner Memoiren im Verlag Random House dabei zu sein und um seinen Halbbruder zu besuchen, den er seit den 1930er-Jahren nicht mehr gesehen hatte. Das Visum wurde mit der Begründung verweigert, er habe eine terroristische Vergangenheit.[9]

 

1997 gab es eine weitere Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung in vier Fällen. Im gleichen Jahr wurde gegen Wolf wegen Aussageverweigerung im Spionageprozess gegen den SPD-Politiker Paul Gerhard Flämig drei Tage Beugehaft verhängt.

 

Gegen Ende seines Lebens lebte Wolf in Berlin, wo er im Alter von 83 Jahren in der Nacht zum 9. November 2006 starb. Am 25. November wurde seine Urne im Grab seines Bruders Konrad in der Grabanlage Pergolenweg der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

 

Seine Tochter Claudia Wolf ist seit 1993 Assistentin und zweite Ehefrau des schwäbischen Unternehmers Hans Wall.[10] Sein Sohn Franz Wolf wurde im Zusammenhang mit den Offshore-Leaks als Finanztreuhänder bekannt.

 

(Seite „Markus Wolf“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. April 2015, 12:21 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Markus_Wolf&oldid=140675341 (Abgerufen: 12. April 2015, 20:14 UTC) )


Hermann Kant

Kants erstes Buch war der 1962 erschienene Erzählband Ein bisschen Südsee. Schon darin waren die stilistischen Einflüsse der amerikanischen Short Story und von Autoren wie O. Henry sowie Kants für die damalige DDR-Literatur neue satirische und (selbst)ironische Schreibweise erkennbar.[1]

 

In seinem ersten Roman Die Aula (1965) beschrieb Kant eigene Erlebnisse an der Arbeiter- und Bauernfakultät. Im Buch ist die Schließung der ABF Anlass für eine Abschlussfeier, auf der die Hauptfigur eine Rede halten soll, für die sie dem Schicksal ihrer Mitstudenten und damit einem Teil ihres eigenen Lebens und der Pionierzeit der DDR erzählerisch nachgeht. „Kants bekanntester und bester Roman“[2] machte ihn in Ost und West schlagartig bekannt, auch weil das Buch in beiden deutschen Staaten kontrovers diskutiert wurde. Während in der DDR überwiegend das „parteiliche Bekenntnis“ der Kantschen Hauptfiguren zur „sozialistischen Entwicklung“ gelobt wurde,[3] warf Marcel Reich-Ranicki Kant vor, er sei zu feige, die Wahrheit über die Verhältnisse in der DDR zu schreiben.[4]

 

1972 erschien der Roman Das Impressum, in dem er seinen Stil weiter perfektionierte. Der Veröffentlichung war eine mehrjährige Auseinandersetzung mit Teilen der DDR-Kulturbürokratie vorausgegangen, bei der man Kant eine Fehldarstellung gesellschaftlicher Konflikte vorwarf.[5] 1976 veröffentlichte er den Entwicklungs- und Bildungsroman Der Aufenthalt. Erzählt wird die Geschichte Mark Niebuhrs, eines irrtümlich als Kriegsverbrecher inhaftierten Deutschen. Mit den positiven sozialistischen Romangestalten hat Kants „Held“ nichts mehr zu tun. Keine vorbildliche „Wandlung“ wird beschrieben, keine „Bekehrung“ oder „Erleuchtung“, sondern Erkenntnis durch „Ernüchterung“.[6] 1983 folgte die DEFA-Verfilmung Der Aufenthalt.

 

Daneben schrieb Kant gelegentlich auch Drehbücher und Szenarios, so für Günter Reischs Spielfilm Ach, du fröhliche … (1962 - mit Nebenrolle) und, nach einer eigenen Erzählung, für Ulrich Theins Fernsehfilm Mitten im kalten Winter (1968).

 

Ab den 1970er Jahren nahm Kant trotz seines eher schmalen Œuvres einen „gewichtigen Stellenwert“ in der Gegenwartsliteratur der DDR ein und hatte sie „unübersehbar mitgeformt“.[7] Heiner Müller beispielsweise bezeichnete Kants Erzählung Bronzezeit (1986) in seiner Autobiographie als „die schärfste DDR-Satire“, die er in den letzten Jahren gelesen habe. Für viele andere Kollegen, Literatur- und Gesellschaftskritiker war Kant dagegen zum „Muster und Inbegriff des ebenso wendigen wie windigen Kompromissliteraten“[8] geworden, der zwischen Konformismus und Konfrontation laviert; ein Eindruck, der durch seine schwankende Haltung als Literaturfunktionär verstärkt wurde. So blieb Kant in Ost und West „eine der umstrittensten Figuren der DDR-Literatur.“[9]

 

In der Nachwendezeit erschienen zunächst Kants Autobiographie Abspann (1991), in der er „viele Kunstmittel nutzt, um seine Position, sein Verhalten und sein Handeln in der DDR in ein helles und freundliches Licht zu rücken“ (P. G. Klussmann)[10], sowie der Roman Kormoran (1994). Seine beiden letzten Romane waren ebenfalls autobiographisch geprägt: Der „Rechtfertigungsroman“[11] Okarina (2002), in dem die Hauptfigur des Buchs Der Aufenthalt, Mark Niebuhr, wieder vorkommt,[12] erzählt dessen Wandlung vom Wehrmachtssoldaten zum Antifaschisten. In Kino (2005) beobachtet ein alter Schriftsteller in der Hamburger Fußgängerzone die Vorbeigehenden.[13]

 

An der Humboldt-Universität übernahm Kant in den 1950er Jahren die Funktion des Parteisekretärs der Germanisten-Grundorganisation und wurde später Mitglied der Universitäts-Parteileitung. Zwischen 1974 und 1979 war er Mitglied der SED-Bezirksleitung Berlin, von 1981 bis 1990 SED-Abgeordneter der Volkskammer der DDR, 1986 bis 1989 Mitglied des ZK der SED. Bereits ab 1961 bespitzelte er den Schriftsteller Günter Grass. Seit 1990 gehört er der PDS bzw. ihren Nachfolgeorganisationen an.

 

1959 wurde er Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, 1964 Mitglied im PEN-Zentrum Ost und West, in dessen Präsidium er von 1967 bis 1982 war. 1969 wurde er Vizepräsident des DDR-Schriftstellerverbands. Sein „geschicktes Krisen-Management“[14] bei der Biermann-Ausbürgerung im November 1976 qualifizierte ihn für den Posten des Präsidenten des Verbandes, den er von 1978 bis 1990 als Nachfolger von Anna Seghers bekleidete.

 

Seine „umstrittene Position in der Nähe des SED-Politbüros“[15] zeigte sich bei Kants öffentlichem Auftreten als Befürworter oder Exekutor staatlicher Sanktionen. So kommentierte er 1976 die Übersiedlung des Schriftstellers Reiner Kunze mit den Worten „Kommt Zeit, vergeht Unrat“.[16] 1979 sanktionierte er den Ausschluss von neun Schriftstellern durch den Berliner Bezirksverband, darunter Adolf Endler, Stefan Heym, Karl-Heinz Jakobs und Klaus Schlesinger.[17] Später begründete Kant dieses Vorgehen mit der Drohung des Ersten Sekretärs der SED-Bezirksleitung Berlin, Konrad Naumann, anderenfalls den Bezirksverband aufzulösen. Andererseits versuchte Kant aber wiederholt, zwischen SED, Kulturbürokratie und Schriftstellern zu vermitteln. So half er 1978 Erich Loest beim Kampf um die Nachauflage eines seiner Bücher, wobei er mit Rücktritt drohte. 1987 unterstützte er vorsichtig den Versuch von Günter de Bruyn und Christoph Hein, die Lockerung der „Druckgenehmigungspraxis“ (sprich: Zensur) zu erreichen.[18]

 

Aus der Akademie der Künste, deren Mitglied er seit 1969 war, trat Kant 1992 aus, ebenso aus dem PEN-Club, der einen „Ehrenrat“ zur „Selbstaufklärung“ eingesetzt hatte.[19]

 

Nach der Wende wurden gegen Kant verstärkt Vorwürfe erhoben, er habe über viele Jahre dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zugearbeitet.[20] So war Kant vom 5. März 1963 bis 9. April 1976 als IM „Martin“ vom MfS erfasst.[21] Kant bestreitet bis heute, „jemals Inoffizieller Mitarbeiter des in Rede stehenden Ministeriums gewesen“ zu sein[22] und führte wiederholt erfolgreich Prozesse, um ihn betreffende Veröffentlichungen aus dem Aktenbestand der BStU zu unterbinden. Die Spiegel-Veröffentlichungen blieben aber unwidersprochen. Ein von Karl Corino herausgegebener Dokumentenband und Joachim Walthers Standardwerk Sicherungsbereich Literatur lassen allerdings keinen Zweifel an den engen Kontakten zwischen ihm und dem MfS. Kurz vor seinem 80. Geburtstag äußerte sich Kant zu dem Komplex in einem Radiointerview so:[23]

 

„Das war für mich anfänglich eigentlich eine ganz selbstverständliche Sache, dass da diese Leute kamen und sagten: Hör mal zu, wir schützen die Republik und euern Verein besonders. Das fand ich zunächst mal sehr logisch. Ich konnte mich doch nicht für den Sozialismus und den sozialistischen Staat erklären, und zugleich gegen die, die das – wie sie sagten – schützen wollten. Das ging also nicht. Nur die Geschichte ist insofern komplizierter – nur hört von da an ja kaum noch jemand zu – als mir das nachher irgendwann furchtbar auf den Docht gegangen ist, weil diese Art von Weltuntergangsbefürchtungen, mit der diese Jungs ausgestattet waren, das fand ich lächerlich. Und ich habe irgendwann auch gesagt, nun lasst mich damit zufrieden. Aber es ändert nichts daran. Es ändert nichts daran, dass ich absolut verquickt bin mit dem, was man begreift als DDR.“

 

Die Berliner Zeitung kommentierte: „Wen interessiert es heute noch, ob Kant nun wirklich nur in seiner Rolle als Schriftstellerfunktionär regelmäßig mit der Staatssicherheit gesprochen hat, oder ob er der IM Martin war, wie man ihm in den 90er-Jahren nachzuweisen versuchte?“[24] Die Welt dagegen wagte die Prognose: „Von dem Schriftsteller Hermann Kant könnte bleiben: Karl Corinos Studie ‚Die Akte Kant’ …, ein Dokument der Verst[r]ickung.“[25] Kant selbst dagegen hofft, „dass ich jenseits von allem anderen Gut und Böse hin und wieder gesagt kriege: Schuft magst du ja wohl sein, aber schreiben kannst du ganz ordentlich! Das reicht mir!“[26]

 

(Seite „Hermann Kant“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. März 2015, 15:04 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hermann_Kant&oldid=140265169 (Abgerufen: 12. April 2015, 19:20 UTC) )


Heinz Kamnitzer

Kamnitzer wurde 1917 als Sohn eines jüdischen Drogisten geboren. Im Herbst 1933 wurde der Gymnasiast Kamnitzer wegen illegaler politischer Arbeit festgenommen. Nach seiner Freilassung emigrierte er nach England, wo er weiter die höhere Schule besuchte. Hier schloss er sich der Kommunistischen Partei Deutschlands an. 1935 verließ er England und arbeitete zwei Jahre in Palästina als Hilfsarbeiter. Ab 1936 lebte er wieder in England und schrieb für englischsprachige antifaschistische Zeitschriften. 1939/40 war er Chefredakteur der Zeitschrift Inside Nazi Germany. 1940 wurde er, wie viele deutsche Emigranten in Großbritannien, nach Kanada interniert. 1942 konnte er nach London zurückkehren und wurde Redakteur bei der Wirtschaftszeitung Petroleum Press Services. Er begann ein Studium der Politikwissenschaften und gehörte gleichzeitig der Leitung des Freien Deutschen Kulturbundes an.

 

 

1946 kehrte Kamnitzer aus dem Exil nach Berlin zurück. Er studierte an der Humboldt-Universität Philosophie und promovierte 1950 über „Die wirtschaftliche Struktur Deutschlands zur Zeit der Revolution 1848“ bei Alfred Meusel. Bereits 1947 hatte er einen Lehrauftrag für Geschichte an der Humboldt-Universität wahrgenommen und 1949/50 als Professor an der Brandenburgischen Landeshochschule in Potsdam gelehrt. Er heiratete 1950 die Schauspielerin Irene Eisermann; die Ehe bestand bis zu Irenes Tod 1997.

 

Von 1950 bis 1954 war Kamnitzer mit vollem Lehrauftrag Professor für „Geschichte des deutschen Volkes“ an der Humboldt-Universität in Berlin. Ab 1952 war er Direktor des Instituts für die Geschichte des deutschen Volkes und von 1953 bis 1955 Mitherausgeber der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Einige Zeit war er in der sogenannten Intelligenzsiedlung in Berlin-Schönholz, zu der auch die Straße 201 gehört, wohnhaft.[1] Seine akademische Laufbahn endete wegen eines Plagiatsskandals. Eine Rezension der in Westdeutschland erscheinenden Historischen Zeitschrift hatte aufgedeckt, dass Kamnitzer für eine gemeinsam mit Alfred Meusel erstellte Publikation über Thomas Müntzer den Großteil der historischen Dokumente zum Bauernkrieg einer Publikation des Agrarhistorikers Günther Franz aus dem Jahr 1926 entnommen hatte, ohne dies kenntlich zu machen. Da Franz die Originaldokumente seinerzeit bearbeitet hatte, war dies als Plagiat zu werten. Kamnitzer wurde 1955 als Institutsdirektor entlassen, gab seine Professur auf und wurde freischaffender Schriftsteller. Er schrieb zahlreiche Sachbücher, Lyrikbände und Belletristik. Bekannt ist vor allem sein Buch über das Sterben von Arnold Zweig, „Der Tod des Dichters“. Kamnitzer war auch Herausgeber der Werke von Arnold Zweig.

 

Auch für das Filmstudio der DDR, die DEFA, hat Kamnitzer gearbeitet. So war er Drehbuchautor u. a. von „Mord an Rathenau“ (1961, mit Alexander Stenbock-Fermor), „Junge Frau von 1914“, (1969, mit Egon Günther) sowie „Erziehung vor Verdun“ (1973, mit Egon Günther).

 

Kamnitzer war ein loyaler Bürger der DDR. Er wurde 1965 mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille und mit dem Vaterländischen Verdienstorden ausgezeichnet (1974 in Silber, 1977 in Gold). 1987 erhielt er den Stern der Völkerfreundschaft in Gold. Aber er vergaß seine jüdische Herkunft nicht. So verweigerte er die Unterschrift unter eine Resolution, die 1967 Israel die alleinige Schuld an dem Nahostkrieg zuschob. Mit ihm solidarisch waren die Sängerin Lin Jaldati, der Verbandspräsident der Jüdischen Gemeinden Helmut Aris, der Vorsitzende der Ostberliner Gemeinde Heinz Schenk sowie die Schriftsteller Peter Edel und Arnold Zweig.[2]

 

Von 1970 bis 1989 war Kamnitzer Präsident des PEN der DDR. Von 1978 bis 1989 war Kamnitzer als IM „Georg“ vom Ministerium für Staatssicherheit erfasst.[3]

Seite „Heinz Kamnitzer“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. März 2016, 15:51 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Heinz_Kamnitzer&oldid=152237443 (Abgerufen: 29. Januar 2017, 14:36 UTC)

 


Alexander Schalck-Golodkowski

Schalck-Golodkowski war einer der Autoren der „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen“ zusammen mit Gerhard Schürer, Gerhard Beil, Ernst Höfner und Arno Donda, als Vorlage für das Politbüro der SED am 30. Oktober 1989. In diesem auch als „Schürer-Papier“ bekannt gewordenen Geheimbericht wurde die Überschuldung und wirtschaftliche Zerrüttung der DDR erstmals deutlich benannt.

 

Im Zuge des Zusammenbruchs der DDR wurde Schalck-Golodkowski wegen Pressemeldungen über kriminelle Machenschaften von KoKo-Firmen auf der letzten Sitzung des ZK der SED am 3. Dezember 1989 aus dem ZK und der SED ausgeschlossen. Er flüchtete daraufhin panisch am 4. Dezember mit seiner Frau Sigrid nach West-Berlin, wo er sich den westdeutschen Behörden stellte und für circa sechs Wochen in Untersuchungshaft blieb. Er gab an, dass er eine Abstempelung als Buhmann und Beseitigung durch seine ehemaligen Genossen fürchte. Ein Auslieferungsantrag der DDR-Generalstaatsanwaltschaft wurde abgelehnt. Im Januar 1990 zog das Ehepaar Schalck-Golodkowski nach Rottach-Egern am Tegernsee.

 

Unter dem Decknamen „Schneewittchen“ machte er beim Bundesnachrichtendienst umfangreiche Aussagen über die kriminellen Wirtschaftsmethoden des Bereichs kommerzielle Koordinierung (KoKo) und seine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit. Er erhielt vom BND Aussicht auf Straffreiheit und Papiere mit falschem Namen. Es wird gemutmaßt, dass Schalck-Golodkowski aufgrund dieser Ausweisdokumente in der Lage war, auf zuvor geschaffene Rücklagen in Form von Geheimkonten zuzugreifen. Bestätigt ist nur der Zugriff auf ein West-Berliner Bankschließfach, dessen Inhalt jedoch nicht bekannt wurde.

 

Bei der Auflösung seiner alten Wirkungsstätte Kommerzielle Koordinierung wurden jedoch nach und nach weitere dubiose Einzelheiten seiner Tätigkeiten bekannt. In der Folge wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Unter anderem wurden Schalck-Golodkowski Straftaten gemäß Betäubungsmittelgesetz, Veruntreuung, Betrug und Spionage vorgeworfen. 1991 wurde öffentliche Kritik an den zögerlichen Ermittlungen gegen Schalck-Golodkowski laut, die in der Presse im Zusammenhang mit den aus DDR-Zeiten bestehenden Kontakten zwischen Schalck-Golodkowski und bedeutenden westdeutschen Politikern und Unternehmern gesehen wurden. Vermutungen, dass Schalck-Golodkowski von den westdeutschen Behörden geschützt würde, widersprach der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel energisch.

 

Der Betroffene selbst beteuerte in einem Auftritt in der Fernsehsendung Der heiße Stuhl auf RTL, „alles anständig und korrekt abgewickelt“ zu haben und „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt zu haben, „in der Absicht, der DDR und den Menschen zu dienen“.

 

Der Gesamtbereich der Kommerziellen Koordinierung, insbesondere Aufgaben und Tätigkeiten von Schalck-Golodkowski, war Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages unter dem Vorsitz des CDU-Abgeordneten Friedrich Vogel. Über das Ergebnis der Untersuchungen gibt es umfangreiche Berichte, vor allem Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 12/7600 vom 27. Mai 1994 mit drei Anlagenbänden und einem Anhangband.

 

Das Ermittlungsverfahren wegen „Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz“ wurde 1992 und das Verfahren wegen „Veruntreuung“ von Milliardenbeträgen der DDR-Regierung durch Überweisungen ins Ausland 1993 eingestellt. Zum Prozess kam es jedoch 1995 wegen des Vorwurfs der Abwicklung illegaler Waffengeschäfte. Als Ergebnis wurde Schalck-Golodkowski im Januar 1996 (wegen des Verstoßes gegen das Militärregierungsgesetz der Alliierten) zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Revision gegen das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof verworfen.[2] Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Juli 1996 kam es zu einer weiteren Anklageerhebung wegen Embargovergehen. 1998 wurde der Beschuldigte wegen seines Krebsleidens für verhandlungsunfähig erklärt und musste zunächst nicht mehr vor Gericht erscheinen. Dennoch wurde er im Juli 1998 zu einer erneuten Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Wiederum wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Sein Verteidiger war der Berliner Anwalt und spätere SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert, der auch weitere Stasi-Offiziere vertrat. (Seite „Alexander Schalck-Golodkowski“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. März 2015, 16:43 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Alexander_Schalck-Golodkowski&oldid=140142370 (Abgerufen: 12. April 2015, 19:04 UTC) )


Günter Görlich

Günter Görlich war der Sohn eines Reichsbahnangestellten. Er wuchs bei den Großeltern auf, besuchte die Mittelschule und nahm ab 1944 als Flakhelfer am Zweiten Weltkrieg teil. Im Mai 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und er wurde zu Arbeitseinsätzen im nördlichen Ural eingesetzt. Im Oktober 1949 wurde Görlich nach Ost-Berlin entlassen; dort war er als Bauarbeiter und ab 1950 als Volkspolizist tätig. 1951 absolvierte er ein Pädagogikstudium und arbeitete anschließend als Erzieher im Jugendwerkhof Ludwigsfelde in Struveshof und von 1953 bis 1958 in einem Lehrlingswohnheim/Lehrkombinat in Ludwigsfelde sowie 1957/58 auch als Betriebsfotograf.

 

Nachdem er bereits seit Anfang der 1950er-Jahre kleinere erzählerische Arbeiten veröffentlicht hatte, war sein erstes Jugendbuch „Der schwarze Peter“ ein Erfolg, für den er 1958 den Jugendbuchpreis des Ministeriums für Kultur erhielt. Er wurde freier Schriftsteller und studierte er von 1958 bis 1961 am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Günter Görlich war seit 1956 Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Von 1961 bis 1964 war er Sekretär des Schriftstellerverbandes der DDR. Ab 1964 lebte er in Ost-Berlin, wo er auch von 1969 bis 1989 den Bezirksverband Berlin des Schriftstellerverbandes der DDR leitete und gehörte in dieser Funktion ab 1973 auch dem Präsidium dieses Verbandes an.

 

Görlich gehörte seit 1955 der SED an; er war von 1964 bis 1967 Mitglied des Zentralrates der FDJ und der Jugendkommission beim Zentralkomitee der SED und von 1974 bis 1989 Mitglied der Bezirksleitung Berlin der SED. 1976 wurde er Kandidat des Zentralkomitees der SED, von 1981 bis 1989 war er Vollmitglied dieses Gremiums. Seit 1961 wurde er vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter geführt, der vor allem auf Mitglieder des Schriftstellerverbandes angesetzt war; 1976 stellte das MfS diese konspirative Zusammenarbeit aufgrund von Görlichs Wahl ins ZK der SED ein.

 

Günter Görlich war ein zu DDR-Zeiten erfolgreicher Verfasser von Büchern mit einer Tendenz zu Unterhaltungsliteratur. Sein Werk besteht aus Romanen, Jugendbüchern sowie Drehbüchern zu Fernsehspielen. 1963 hatte er einen Romanerfolg mit „Das Liebste und das Sterben“. Sein Roman „Eine Anzeige in der Zeitung“ wurde 1976 wegen der thematischen Behandlung eines Lehrersuizides durch die zuständigen Behörden erst erheblich verzögert zur Veröffentlichung freigegeben. Seit der Wende veröffentlichte er vorwiegend Kinder- und Jugendbücher.

 

Günter Görlich war seit 1983 Mitglied der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik. Er erhielt u. a. 1966 und 1973 den Kunstpreis des FDGB, 1971 einen Nationalpreis 2. Klasse, 1974 den Ehrentitel „Held der Arbeit“, 1978 einen Nationalpreis 1. Klasse, 1979 die Johannes-R.-Becher-Medaille in Gold, 1985 den Vaterländischen Verdienstorden (VVO) in Gold, 1988 die Ehrenspange zum VVO in Gold sowie 1983 den Goethepreis der Stadt Berlin.

Seite „Günter Görlich“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. Februar 2015, 20:18 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=G%C3%BCnter_G%C3%B6rlich&oldid=139017887 (Abgerufen: 19. Januar 2016, 19:13 UTC)

 


Manfred Ibrahim Böhme

Böhme hat zu Lebzeiten zahlreiche unzutreffende und halbwahre Angaben zu seiner Biographie gemacht, die zum Teil ungeprüft von den Medien übernommen wurden. Das meiste davon wurde widerlegt. Beispielsweise war seine angebliche jüdische Herkunft eine von ihm verbreitete Legende. Als weitestgehend gesichert wird angenommen, dass er als Waisenkind in verschiedenen Heimen und bei den Pflegeeltern Kurt und Hilde Böhme aufwuchs. Den Vornamen Ibrahim gab er sich im Laufe seiner IM-Tätigkeit selbst.

 

 

Ausbildung und Tätigkeiten

 

 

Böhme war Sohn eines Kommunisten und Industriemaurers in den Leunawerken. Nachdem seine Mutter gestorben war, wurde er einige Jahre in Heimen und bei Pflegeeltern untergebracht.[8] Er absolvierte eine Berufsausbildung als Maurer in den Leunawerken. Ab 1966 bis 1969 war er Hausleiter eines Jugendklubs der FDJ in Greiz. Nach einer Parteistrafe wegen „seiner Haltung“ zur Niederschlagung des Prager Frühlings wurde er zur Bewährung in die Produktion versetzt und arbeitete ab 1969 zuerst als Postangestellter und kurze Zeit später als Leiter für Kader und Bildung beim Hauptpostamt Greiz. 1971 wurde er zum Kreissekretär des Kulturbundes im Kreis Greiz ernannt, was er bis 1977 blieb. Er war für die Stasi als Spitzel im „Greizer Kreis“ um die Schriftsteller Reiner Kunze und Jürgen Fuchs tätig. Außerdem bespitzelte er den Schriftsteller Günter Ullmann.

 

Nach einem Fachschulfernstudium erwarb er 1972 einen Abschluss als Bibliothekar. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen und mehrere Monate inhaftiert. Von 1978 bis 1982 arbeitete er als Dramaturg am Theater Neustrelitz, nach seiner Kündigung war er ebenfalls in Neustrelitz Bibliotheksangestellter. Dort war er parallel als Stasi-IM in der Kulturszene tätig. Nach seinem Umzug nach Ost-Berlin im Jahre 1985 arbeitete er zunächst als Kulturhausleiter, danach in verschiedenen Teilzeitjobs.

 

 

Partei

 

 

Böhme war von 1962 bis 1978 Mitglied der SED.

 

 

Am 7. Oktober 1989 gehörte Böhme in Schwante zu den Mitbegründern der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), zu deren Geschäftsführer er sogleich gewählt wurde. Am 23. Februar 1990 wurde er dann zum Vorsitzenden der mittlerweile in SPD umbenannten Partei gewählt. Böhme sah sich im Falle eines Wahlsieges der SPD bereits als künftiger Ministerpräsident der DDR, führte am 2. März 1990 ein politisches Sondierungsgespräch mit dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse.

 

 

Aufdeckung der Stasi-Tätigkeit

 

 

Im März 1990 tauchten Akten des Ministeriums für Staatssicherheit auf, die auf eine Zuordnung Böhmes zum Inoffiziellen Mitarbeiter „Maximilian“ hinwiesen. Tatsächlich wurde Böhme seit 1969 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) beziehungsweise „Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung bzw. zur unmittelbaren Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen“ (IMB) unter mehreren Decknamen geführt. Unter dem Decknamen IM „Maximilian“ hatte er ab 1985 gezielt oppositionelle Kreise in Ost-Berlin infiltriert. Böhme war als Fraktionsvorsitzender der SPD in der Volkskammer vorgesehen. Nach der Aufdeckung der inoffiziellen Stasi-Tätigkeit durch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 24. März 1990 ließ Böhme alle Ämter und sein Volkskammermandat ruhen und trat am 1. April 1990 zurück. Schon wenige Wochen später erlebte er nach Unschuldsbeteuerungen ein politisches Comeback und wurde im Juli 1990 von Oberbürgermeister Tino Schwierzina zum Polizeibeauftragten des Magistrats von (Ost-)Berlin ernannt. Auf dem Vereinigungsparteitag der Ost- und West-SPD am 26. und 27. September 1990 in Berlin wurde Böhme in den neuen Vorstand gewählt.

 

 

 

Der Autor Reiner Kunze, der in Greiz jahrelang von der Staatssicherheit observiert worden war, bezeichnete Böhme aufgrund seiner eigenen Stasi-Akte als denjenigen, der als IM „Paul Bonkarz“ seine Familie und ihn ausgeforscht und verraten habe. Nach Veröffentlichung der Dokumentation Deckname Lyrik von Reiner Kunze im Dezember 1990, in der Kunze Teile aus den Spitzel-Berichten Böhmes in seinen Stasi-Akten zitierte, war Böhmes politische Karriere beendet. 1992 wurde er wegen „schweren parteischädigenden Verhaltens“ aus der SPD ausgeschlossen.

 

 

Nach dem Rückzug aus der Politik

 

 

Nach seinem erzwungenen Rückzug aus der Politik lebte Böhme die letzten Jahre zurückgezogen im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Er erlitt mehrere Schlaganfälle. Die Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit hat er bis zu seinem Tode geleugnet.

 

 

 

Seite „Ibrahim Böhme“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Mai 2019, 11:51 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ibrahim_B%C3%B6hme&oldid=188761652 (Abgerufen: 12. August 2019, 16:01 UTC)

 


Erich Köhler

Erich Köhler war der Sohn eines Porzellanschleifers und einer Buntdruckerin. Er wuchs im Egerland auf. Nach dem Besuch der Volksschule begann er zwischen 1943 und 1945 Lehren als Bäcker, Schneider und Maler, die er allesamt abbrach. 1946 siedelte Köhler in die Sowjetische Besatzungszone über, wo er in den folgenden Jahren an verschiedenen Orten in landwirtschaftlichen und Industriebetrieben arbeitete. 1949/50 unternahm er eine Wanderung durch Westdeutschland und die Niederlande. Nachdem der Versuch, von der französischen Fremdenlegion aufgenommen zu werden, gescheitert war, kehrte Köhler 1950 in die DDR zurück. Dort wurde er Mitglied von FDJ, FDGB und DSF; von 1950 bis 1954 arbeitete er unter Tage im Uranerzbergbau der Wismut AG in Marienberg und Oberschlema. Von 1954 bis 1955 studierte er an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät in Leipzig. Anschließend war er wiederum in der Landwirtschaft tätig, diesmal im mecklenburgischen Marnitz. Nachdem er 1956 sein erstes Buch veröffentlicht hatte, studierte Köhler von 1958 bis 1961 am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. 1959 wurde Köhler Mitglied der SED. 1961/62 arbeitete er wieder in der LPG Marnitz. Von 1962 bis 1968 war er freier Schriftsteller. Von 1968 bis 1970 war er angestellter Autor des Kraftwerk Lübbenau. Anschließend wirkte er bis 1981 wieder als freier Schriftsteller in Alt-Zauche. Dort befindet sich heute das Erich-Köhler-Haus. Ab 1981 war er erneut angestellter Schriftsteller, diesmal beim VEG Radensdorf im Spreewald; 1990 wurde er in den Vorruhestand entlassen.

 

Köhler war von 1972 bis 1975 als IM „Fritz“ und von 1975 bis Ende der 1980er Jahre als IME „Heinrich“ Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Köhlers Weigerung, den ostdeutschen PEN nach Bekanntwerden seiner Stasi-Mitarbeit freiwillig zu verlassen, bildete eines der Hindernisse, die bis 2002 die Vereinigung von west- und ostdeutschem PEN-Zentrum blockierten. Im April 2002 wurde Köhler per Mehrheitsbeschluss aus dem PEN ausgeschlossen, eine in seinen Augen ungerechtfertigte Maßnahme, gegen die der Autor bis zu seinem Lebensende ankämpfte. Ab 1997 war er Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei.

 

Erich Köhler war Verfasser von Romanen, Erzählungen, Dramen und Essays. Sein erzählerisches Werk bestand anfangs aus herkömmlichen Geschichten über gesellschaftliche Umwälzungen in der Landwirtschaft der frühen DDR; erst im Laufe der Jahre ging der Autor über zu fantastischen Formen, die er in den Dienst der Vermittlung moralischer Botschaften stellte. Köhler sah sich als Vertreter eines neuen Typs einer proletarisch-revolutionären Literatur, deren Schwerpunkt auf der Schilderung der Produktion liegen sollte. Den von ihm geforderten Wechsel vom freien Schriftsteller zum Autor als fest angestellten Betriebsangehörigen, von dem er sich eine größere Nähe zwischen Autor und Arbeiterschaft versprach, vermochte Köhler gegen Widerstände in der SED zumindest für die eigene Person und zeitweise zu verwirklichen.

 

Erich Köhler war von 1958 bis 1990 Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. (Seite „Erich Köhler (Autor)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. April 2015, 16:47 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Erich_K%C3%B6hler_(Autor)&oldid=140683559 (Abgerufen: 1. Mai 2015, 14:57 UTC) )


Wieland Herzfelde

Wieland Herzfeld wurde als drittes von vier Kindern des Schriftstellers Franz Held (eigentlich Herzfeld) und dessen Frau Alice Stolzenberg geboren. Er folgte seinem älteren Bruder Helmut Herzfeld 1914 nach Berlin, wo er Germanistik und Medizin studierte. Seit seiner Jugend hegte er den Wunsch, Schriftsteller zu werden und verfasste bereits in jungen Jahren erste Gedichte. Seit März 1914 veröffentlicht er seine Arbeiten unter dem Namen Wieland Herzfelde mit angehängtem „e“, da er von Else Lasker-Schüler so genannt wurde.[1] Seine künstlerischen Pläne wurden jedoch 1914 unterbrochen. Herzfelde zog als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg. Die Erlebnisse an der Front erschütterten ihn, und er beschloss 1916 mit seinem Bruder, eine Zeitschrift gegen den Krieg herauszubringen. Die erste Ausgabe der Neuen Jugend erschien noch im selben Jahr, wurde aber bereits im folgenden Jahr von der Regierung verboten.

Aus ihr ging 1917 schließlich der Malik-Verlag hervor, der sich zunächst auf das Publizieren von politisch brisanten Zeitschriften (u. a. Die Pleite, Der Gegner) und Kunstmappen von George Grosz spezialisiert hatte. Im selben Jahr wurde Herzfelde aus der Armee entlassen.

Sein Bruder Helmut Herzfeld, der sich nun John Heartfield nannte, war Mitbegründer des Verlags und für die extravagante Gestaltung der Veröffentlichungen zuständig. Allmählich wandelte sich das Unternehmen von einem Zeitschriften- zu einem Buchverlag, wurde zum Sprachrohr des Dadaismus und unterstützte mit seinen Publikationen die Sowjetunion.

Herzfelde pflegte zu vielen Berliner Künstlern der damaligen Zeit persönliche Kontakte, unter anderem zu Harry Graf Kessler, Else Lasker-Schüler oder Erwin Piscator, die ihm bei seiner Arbeit finanzielle sowie moralische Hilfe anboten.

Am 31. Dezember 1918, dem Tag der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), traten Herzfelde, Grosz und Heartfield der Vereinigung bei.

In den 1920er Jahren wurde der Verlag durch eine Kunstgalerie, die Grosz-Galerie, und eine Buchhandlung erweitert. Im April 1921 mussten Herzfelde und Grosz vor Gericht erscheinen. Es ging um einen Prozess wegen Beleidigung der Reichswehr, den das Reichswehrministerium angestrengt hatte. Anlass waren Ausstellungsstücke aus der Ersten Internationalen Dada-Messe von 1920: Grosz' Mappe Gott mit uns und der ausgestopfte Soldat mit dem Schweinekopf, entworfen von Schlichter und Heartfield.[2][3] Das Gericht verhängte Geldstrafen von 300 RM gegen Grosz und von 600 RM gegen seinen Verleger Wieland Herzfelde.[4]

Mit der Machtergreifung Hitlers wurde die Herausgabe linksgerichteter Bücher unmöglich. Herzfelde versteckte sich bei Freunden vor der Gestapo und fand zuletzt Unterschlupf bei Ernst Rowohlt. 1933 floh er nach Prag, wo er die Verlagstätigkeit wieder aufnahm. Nach der offiziellen Schließung des Malik-Verlags in Berlin 1934 durch die Nationalsozialisten, verlegte Herzfelde den Sitz des Hauses aus rechtlichen Gründen nach London, leitete aber den Verlag weiterhin von Prag aus. Hier begann er unter anderem Werke von Johannes R. Becher und Ilja Ehrenburg zu verlegen und zusammen mit Anna Seghers die Zeitschrift Neue deutsche Blätter zu veröffentlichen, die gegen die braune Unkultur in Deutschland gerichtet war. In diese Zeit fiel auch die Herausgabe der „Gesammelten Werke“ von Bertolt Brecht.

Zusammen mit seinem Bruder floh er 1938 nach London, erhielt 1939 ein Visum für die USA und emigrierte schließlich nach New York. Hier begann die härteste Zeit für den Verleger und seine Familie, da diese ohne jegliche finanzielle Reserven und befreundete Geldgeber ein komplett neues Leben beginnen mussten. Erst fünf Jahre nach seiner Ankunft in Amerika konnte er seinen Wunsch, einen Verlag für deutsche Exilautoren zu gründen, verwirklichen. Den antifaschistischen Aurora-Verlag rief er gemeinsam mit Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Alfred Döblin, Heinrich Mann, Ernst Bloch, Ferdinand Bruckner, Oskar Maria Graf, Berthold Viertel, Ernst Waldinger und F. C. Weiskopf 1944 ins Leben. Dieser musste allerdings zwei Jahre später wieder geschlossen werden, da Herzfelde hoch verschuldet war.

1949 kehrte der Verleger nach Deutschland zurück und wurde Professor für Literatur an der Universität Leipzig (zunächst für "Soziologie der modernen Weltliteratur" an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät; dann für "Literatur und Kunstkritik" an der Philosophischen Fakultät). Er verfasste Gedichte, Erzählungen, Essays und arbeitete als Übersetzer. Nach der Rückkehr John Heartfields 1950 entstanden Bühnenbilder und Buchausstattungen. Auch George Grosz kehrte 1959 nach West-Berlin zurück, verstarb jedoch noch im gleichen Jahr. Von 1954 bis 1961 war Herzfelde Professor für Soziologie der neueren Literatur an der Fakultät für Journalistik.

Wieland Herzfelde setzte sich weiterhin für die Grundsätze des Sozialismus ein, erhielt in der DDR als Verleger aber keine große Unterstützung und Anerkennung. Wie viele Genossen, die während des Faschismus Zuflucht in Westeuropa oder den USA gesucht hatten, wurde er zeitweilig von der Partei ausgeschlossen. In den Jahren 1952–1962 widmete er sich ganz der Herausgabe der 14-bändigen „Gesammelten Werke“ von Leo N. Tolstoi.

1968 verstarb sein Bruder John Heartfield. Im gleichen Jahr veranstaltete die Akademie der Künste die Ausstellung „Der Malik-Verlag“, wobei der Reprint der Neuen Jugend eine Reihe Neudrucke aller Malik-Zeitschriften und ausgewählter Bücher zufolge hatte. Auch in Westdeutschland wurde das Werk des Verlegers durch mehrere Ausstellungen gewürdigt.

Seite „Wieland Herzfelde“.

In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. Dezember 2015, 00:44 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wieland_Herzfelde&oldid=149005061 (Abgerufen: 1. Januar 2016, 15:42 UTC)


Günther Rücker

Der Sohn des Tischlers Thomas Rücker (der teilweise jüdischer Herkunft war)[1] und seiner Ehefrau Johanna, geborene Schmidt, besuchte in seinem Geburtsort in Böhmen die Oberrealschule und machte 1942 das Notabitur. Als Soldat im Zweiten Weltkrieg gelangte er in britische Kriegsgefangenschaft. Ab 1945 lebte er in Leipzig, wo er an der Theaterhochschule „Hans Otto“ ein Studium begann. Später lebte er in Ost-Berlin und in Meiningen.

Ab 1951 war er beim Hörfunk – zunächst als Regisseur, ab 1952 als Hörspielautor – tätig, wobei er unter anderem mit Paul Dessau zusammenarbeitet. Seit 1954 ist Rücker Mitglied des Deutschen Schriftstellerbandes. Ab 1955 beim Film wurde Rücker nach seinen ersten Dokumentarfilmen vor allem auch als Spielfilmautor beschäftigt. Mit Wolfgang Kohlhaase schrieb er z.B. das Drehbuch zu Der Fall Gleiwitz (1961), einem der wichtigsten DEFA-Filme überhaupt.

Auch als Dramatiker wurde der Autor bekannt: Der Herr Schmidt – Ein deutsches Spektakel mit Polizei und Musik (1969), das den Kölner Kommunistenprozess zum Gegenstand hatte, war sein erster diesbezüglicher Erfolg. Im selben Jahr wurde auch sein Drama Der Nachbar des Herrn Pansa uraufgeführt. Daneben stammen viele Hörspiele von Rücker – der Hörspielmonolog war eine Gattung, der er sich besonders widmete.

Seit 1972 Mitglied der Akademie der Künste der DDR (1991 erneut gewählt), war Rücker von 1974 bis 1982 Sekretär der Sektion Dichtkunst und Sprachpflege und Mitglied des Präsidiums der Akademie.

Als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit mit Decknamen „Günther“ wurde Rücker seit 1978 zur Durchsetzung kulturpolitischer Leitlinien in der Akademie der Künste und zur direkten Beobachtung von Akademie-Mitgliedern wie Franz Fühmann und Konrad Wolf eingesetzt.[2] Seit 1978 war Rücker zugleich Mitglied des Zentralvorstands des Deutschen Schriftstellerverbandes.

Günter Rücker war der erste Ehemann der Schauspielerin Vera Oelschlegel (* 1938).

Seite „Günther Rücker“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Dezember 2015, 14:00 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=G%C3%BCnther_R%C3%BCcker&oldid=149420840 (Abgerufen: 1. Januar 2016, 15:37 UTC)


Jan Koplowitz

Jan Koplowitz (* 1. Dezember 1909 in Kudowa, Niederschlesien; † 19. September 2001 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller und kommunistischer Funktionär.

 

Jan Koplowitz besuchte die hebräische Kleinkinderschule in Nachod, danach die private und höhere Knaben- und Mädchenschule zu Sackisch.

 

Als er mit 16 Jahren einen Streik der Bohemia- und Kurangestellten mitherbeiführte, wurde er von seinem großbürgerlichen Elternhaus verstoßen und schloss sich 1928 der kommunistischen Bewegung an, schrieb für Arbeiterzeitungen, Agitprop-Gruppen und trat dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei. Egon Erwin Kisch und Ilja Ehrenburg wurden seine Lehrer, in deren Tradition er seine spätere Arbeit sah. Im Jahre wurde er 1931 Redakteur der Breslauer Arbeiterzeitung und Leiter der Agitprop-Gruppe Roter Knüppel, deren Texte er schrieb.

 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begann er in Nordböhmen die illegale Arbeit für die KPD. In Prag lebte er u. a. auch im Bärenhaus bei Egon Erwin Kisch. Im Prager Stadtteil Žižkov wurde er 1938 illegaler Parteiorganisator, nachdem die Parteileitung infolge des Münchener Abkommens 1938 nach England emigrierte. Nach der Besetzung von Prag durch Deutschland 1939 floh Koplowitz über Polen nach Schweden und von dort nach Großbritannien.[1] Dort lebte er von 1939 bis 1945 im Exil und heiratete eine österreichische Emigrantin, mit der er drei Kinder hatte. Er arbeitete in der Free German League of Culture in Great Britain und in Amateur-Theatergruppen.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er mit seiner zweiten Frau Babette (Betty) in Ost-Berlin. Johannes R. Becher holte ihn ins Kollegium des Ministeriums für Kultur, dort leitete er die Konzert- und Gastspieldirektion. In der Maxhütte Unterwellenborn gründete er einen Zirkel schreibender Arbeiter. Die Erlebnisse dort flossen in sein Buch Unser Kumpel Max der Riese mit ein. Ebenso verwendete er seine Erlebnisse bei der Errichtung von Neustadt in der Taktstraße, einer „offene Reportage“ über den Aufbau von Plattenbauten.

 

In dem 1979 fertiggestellten und später verfilmten Roman Bohemia – mein Schicksal erzählt Koplowitz die Geschichte seiner Familie, die zu großen Teilen dem Holocaust zum Opfer fiel.

 

Koplowitz’ Sohn Daniel war von 1977 bis 1989 in der Türkei wegen Drogenbesitzes in Haft. Bei seinen Bemühungen, ihn frei zu bekommen, sei er durch das Ministerium für Staatssicherheit dazu gedrängt worden, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) tätig zu werden, wie Koplowitz in seinem Roman Bestattungskosten angab. Als IM „Pollak“ hatte er Informationen zumindest über Joachim Seyppel weitergegeben.[2] In Joachim Walthers Untersuchung Sicherungsbereich Literatur wird jedoch schon weitaus früher eine IM-Tätigkeit Koplowitz’ nachgewiesen. So zeigte er 1973 bei seinem Führungsoffizier polnische Jugendliche an, die auf dem Berliner Alexanderplatz „zionistische Lieder“ gesungen hätten, und beschwerte sich, dass die Kontakttelefonnummer im Ministerium für Staatssicherheit längere Zeit besetzt gewesen sei.

Seite „Jan Koplowitz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. April 2016, 12:16 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Jan_Koplowitz&oldid=153523723 (Abgerufen: 11. August 2016, 19:28 UTC

 


Gregor Gysi

Gregor Florian Gysi (Aussprache [ˈɡiːzi]) (* 16. Januar 1948 in Berlin) ist ein deutscher Jurist, Rechtsanwalt und Politiker (SED, PDS, Die Linke). Er ist seit 2005 erneut Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er schon zwischen 1990 und 2000 angehört hatte. Von 2005 bis 2015 war er Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Mit dem Amtsantritt des dritten Kabinetts Merkel am 17. Dezember 2013 wurde Gysi zusätzlich Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Am 17. Dezember 2016 wählte die Europäische Linke Gysi auf einem Parteitag in Berlin zum Präsidenten.[1]

 

Gysi war Mitglied der 1990 ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1989 bis 1993 war er Vorsitzender der aus der Staatspartei der DDR hervorgegangenen SED-PDS beziehungsweise PDS, von 1990 bis 1998 Vorsitzender der Bundestagsgruppe der PDS und von 1998 bis 2000 Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion. Im Jahr 2002 war er fünf Monate Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen des Landes Berlin.

 

Gysi war und ist eine zentrale und prominente Figur der PDS bzw. der Partei Die Linke und wirkte dabei prägend auf das politische Geschehen in der Bundespolitik seit 1990. Zu seinen politischen Erfolgen zählt der Formationsprozess der SED, der er ab 1967 angehörte, zur PDS und die Schaffung einer bundesdeutschen linken Partei.

 

Ausbildung

 

Von 1954 bis 1962 besuchte Gysi die Polytechnische Oberschule, von 1962 bis 1966 die Erweiterte Oberschule „Heinrich Hertz“ (ab 1965 Schule mit mathematischem Schwerpunkt) in Berlin-Adlershof. Hier erwarb er 1966 das Abitur und legte gleichzeitig den Lehrabschluss zum Facharbeiter für Rinderzucht (im VEG Blankenfelde) ab.[2]

 

Gysi absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, das er 1970 als Diplom-Jurist beendete.[2]

 

Juristische Karriere

 

Ab 1971 war Gysi einer der wenigen freien Rechtsanwälte in der DDR. In dieser Funktion verteidigte er auch Systemkritiker und Ausreisewillige, darunter bekannte Personen wie Robert Havemann, Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs, Bärbel Bohley und Ulrike Poppe. 1976 erfolgte seine Promotion zum Dr. jur. mit der Arbeit Zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtsverwirklichungsprozeß.[3]

 

Von 1988 bis 1989 war er Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte in Ost-Berlin und gleichzeitig Vorsitzender der 15 Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR. Am 12. September 1989 war er zusammen mit dem Ost-Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Vogel in Prag, um die DDR-Flüchtlinge in der deutschen Botschaft zur Rückkehr in die DDR aufzufordern. Im Herbst 1989, vor der politischen Wende in der DDR, setzte Gysi sich als Anwalt für die Zulassung des oppositionellen Neuen Forums ein.

 

Von August 2002 bis zu seiner Wiederwahl als Abgeordneter des Bundestages im Jahre 2005 war er wieder als Rechtsanwalt tätig.

 

Politische Karriere

 

Seit 1967 war Gysi Mitglied der SED. Als er 1989 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit trat, arbeitete er an einem Reisegesetz mit. Am 4. November 1989 sprach Gysi vor 500.000 Menschen auf der Massenkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz und forderte ein neues Wahlrecht sowie ein Verfassungsgericht.[4] Seine Eloquenz und rhetorische Begabung ließen ihn schnell zu einem der Medienstars des Herbstes werden. Ab dem 3. Dezember 1989 gehörte er dem Arbeitsausschuss zur Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages der SED an und war Vorsitzender eines parteiinternen Untersuchungsausschusses.

 

Auf dem Sonderparteitag am 9. Dezember 1989 wurde Gysi mit 95,3 Prozent der Delegiertenstimmen zum Vorsitzenden der SED gewählt. Am 16. Dezember 1989 sprach er sich auf dem Sonderparteitag der SED-PDS für eine Zusammenarbeit beider deutscher Staaten bei voller Wahrung ihrer Souveränität aus. Im Winter 1989/90 war Gysi als Parteivorsitzender der damaligen SED-PDS daran beteiligt, dass die Partei nicht aufgelöst wurde und das Parteivermögen sowie Arbeitsplätze innerhalb der Partei erhalten blieben. Den Parteivorsitz der PDS hatte Gysi bis zum 31. Januar 1993 inne. Danach wirkte er zunächst als stellvertretender Parteivorsitzender, dann als Mitglied im Parteivorstand weiter mit, bis er im Januar 1997 endgültig aus dem Parteivorstand ausschied.

 

Am 23. Dezember 2005 wurde er auch Mitglied der WASG, ebenso wie Oskar Lafontaine auch Mitglied in der Linkspartei PDS wurde. Damit machten beide demonstrativ von der Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft in der Linkspartei und in der WASG Gebrauch. Seit dem 16. Juni 2007 ist Gysi Mitglied der Partei Die Linke.

 

Gysi ist Mitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Dezember 2016 wurde er zum Vorsitzenden der Europäischen Linken gewählt.

 

Vorwürfe wegen Verschleierung des SED-Vermögens

 

Auf dem Sonderparteitag der SED vom 8./9. und 16./17. Dezember 1989 unterstützte Gregor Gysi den Fortbestand der SED unter neuem Namen („SED-PDS“) unter anderem mit dem Argument, eine Auflösung und Neugründung würde juristische Auseinandersetzungen um das Parteivermögen nach sich ziehen und sei eine ernste wirtschaftliche Bedrohung für die Partei.[5] Später wurde ihm seitens der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR vorgeworfen, er sei aktiv an der Verschleierung des SED-Parteienvermögens beteiligt gewesen und habe im Putnik-Deal versucht, mit Hilfe der KPdSU SED-Gelder ins Ausland zu verschieben, um sie vor dem Zugriff staatlicher Stellen zu sichern.[6]

 

Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages 1998 zum Verbleib des SED-Parteienvermögens gab an, dass Gysi bei seiner Befragung geschwiegen und damit zusammen mit weiteren PDS-Funktionären die Arbeit des Ausschusses behindert habe.[6]

 

Öffentliche Ämter

 

1990–2002

 

Von März bis Oktober 1990 war Gysi Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR, dort Fraktionsvorsitzender der PDS. Als solcher wurde er am 3. Oktober 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages, aus dem er am 1. Februar 2002 ausschied, um das Amt des Wirtschaftssenators in Berlin anzutreten. Er war von 1990 bis 1998 Vorsitzender der PDS-Bundestagsgruppe, dann bis zum 2. Oktober 2000 Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion.

 

Von 2001 bis 2002 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Am 17. Januar 2002 wurde Gysi Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen des Landes Berlin in dem vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit geführten Senat Wowereit II. Am 31. Juli 2002 trat er im Rahmen der Bonusmeilen-Affäre von allen Ämtern zurück.[7]

 

Seit 2005

 

Bundestagswahl 2005

 

Für die Bundestagswahl 2005 kehrte er als Spitzenkandidat der Linkspartei zurück. Er war Direktkandidat für den Wahlkreis 85 Treptow-Köpenick und führte die Landesliste der Linkspartei Berlin an. Bei der Wahl konnte er sich gegen seinen Konkurrenten Siegfried Scheffler von der SPD durchsetzen und zog mit 40,4 Prozent der abgegebenen Erststimmen direkt in den Bundestag ein. Gemeinsam mit Oskar Lafontaine wurde er zum Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion gewählt.

 

Bundestagswahl 2009

 

Auch bei der Bundestagswahl 2009 trat er als Spitzenkandidat der Berliner Landesliste an. Sein Erststimmen-Ergebnis in seinem Wahlkreis Berlin-Treptow-Köpenick konnte er jedoch auf 44,4 Prozent verbessern und zog somit erneut per Direktmandat in den Bundestag ein. Nach dem Verzicht Oskar Lafontaines wurde Gysi am 9. Oktober 2009 mit 94,7 Prozent zum alleinigen Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken bestimmt und 2011 mit 81,3 Prozent im Amt bestätigt.

 

Bundestagswahl 2013

 

Bei der Bundestagswahl 2013 gelang es Gysi – wiederum Spitzenkandidat der Berliner Landesliste – trotz leichter Einbußen von 2,6 Prozent sein Direktmandat mit 42,2 Prozent erneut zu verteidigen.[8] Wie schon 2011 wies er Sahra Wagenknechts Ambitionen auf eine Doppelspitze in der Fraktion erfolgreich zurück und wurde am 9. Oktober 2013 auf einer Fraktionsklausur im brandenburgischen Bersteland erneut zum alleinigen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Aufgrund der regierenden Großen Koalition war er damit Oppositionsführer.[9]

 

Am 7. Juni 2015 gab er bekannt, dass er nicht erneut für den Fraktionsvorsitz der Linken kandidieren werde.[10][11] Entsprechend schied er am 12. Oktober 2015 aus beiden Ämtern aus. Seine Nachfolge im Fraktionsvorsitz und damit auch in der Oppositionsführung wurden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

 

Beobachtung durch den Verfassungsschutz

 

Im Januar 2012 wurde bekannt, dass Gregor Gysi als einer von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken unter Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz steht,[12] was von Politikern aller Fraktionen kritisiert wurde.[13]

 

Nachdem diese Überwachung Anfang 2014 eingestellt worden war,[14] stellte das Verwaltungsgericht Köln in einem Anerkenntnisurteil im September 2014 fest, dass die Personenakte Gysis zu vernichten sei.[15]

 

Siehe auch: Beobachtung der Partei Die Linke durch den Verfassungsschutz

 

Vorwürfe der inoffiziellen Mitarbeit bei der Staatssicherheit

 

Bericht des Immunitätsausschusses 1998

 

Laut Abschlussbericht des Immunitätsausschusses des Deutschen Bundestages soll Gysi zwischen 1975 und 1986 für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR unter verschiedenen Decknamen, dabei hauptsächlich als IM Notar gearbeitet haben, nachdem in einer früheren Version des Abschlussberichtes noch davon die Rede war, dass ein solcher Nachweis aufgrund der vorhandenen Unterlagen nicht erfolgen kann.[16]

 

Im Abschlussbericht[17] heißt es unter anderem, Gysi habe

 

„[…] seine herausgehobene berufliche Stellung als einer der wenigen Rechtsanwälte in der DDR genutzt, um als Anwalt auch international bekannter Oppositioneller die politische Ordnung der DDR vor seinen Mandanten zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er sich in die Strategien des MfS einbinden lassen, selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben. Auf diese Erkenntnisse war der Staatssicherheitsdienst zur Vorbereitung seiner Zersetzungsstrategien dringend angewiesen. Das Ziel dieser Tätigkeit unter Einbindung von Dr. Gysi war die möglichst wirksame Unterdrückung der demokratischen Opposition in der DDR […]“

 

Gregor Gysi bezog zu diesen Aussagen im Abschlussbericht wie folgt Stellung:[16]

 

„[…] Die Gerichte kamen regelmäßig nach wesentlich weitergehenden Untersuchungsmöglichkeiten [d. h. als denen des Ausschusses] zu der Auffassung, dass es einen Nachweis für eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen mir und dem MfS der ehemaligen DDR nicht gibt. […] Insgesamt ist es dem Ausschuss nicht gelungen, die Vorwürfe zu belegen, die er gegen mich erhebt. Ein solcher Nachweis kann auch nicht gelingen, weil ich zu keinem Zeitpunkt inoffiziell mit dem MfS zusammengearbeitet habe. […]“

 

Die Feststellungen des Immunitätsausschusses hatten aber keine Auswirkungen auf Gysis Arbeit als Abgeordneter, der im Abschlussbericht selbst der Beschuldigung widersprach und auf „wesentliche Mängel und Fehler“ im Verfahren hinwies. Die PDS und die FDP stimmten dem Papier nicht zu.

 

Gysi legte erneut Klage gegen die Feststellung ein. Er bekannte sich zur Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und dem Zentralkomitee der SED „im Interesse und mit Wissen seiner Klienten“ und ging mehrmals erfolgreich, gerichtlich gegen die Verbreitung der Behauptung, er wäre IM Gregor / IM Notar gewesen, vor. 1998 untersagte das Landgericht Hamburg dem Magazin Der Spiegel, weiterhin zu behaupten, Gregor Gysi habe für die Stasi-Spionageabteilung gearbeitet und dort den Decknamen IM Notar geführt, weil der Spiegel seine Behauptungen nicht habe beweisen können.

 

Klage gegen Aktenveröffentlichungen 2008[Bearbeiten

 

Nachdem das ZDF am 27. Mai 2008 ein Interview mit Marianne Birthler ausgestrahlt hatte, in dem sie Gysi eine Stasi-Tätigkeit vorwarf, ging Gysi mit einem Unterlassungsbegehren gegen den Sender vor.[18]

 

Im Mai 2008 unterlag Gysi vor dem Berliner Verwaltungsgericht mit einer Klage gegen die Veröffentlichung mehrerer Protokolle über Robert Havemann und den – laut diesen Berichten – zur DDR-Führung „negativ eingestellt[en]“ Thomas Klingenstein, geb. Erwin. In einem der Protokolle ist die Rede von einer Autofahrt eines „IM“ mit „Erwin“. Das Protokoll wird von der BStU und von Klingenstein selbst auf die Rückfahrt von einem Besuch bei Havemann am 3. Oktober 1979 bezogen. („Der IM nahm ‚Erwin‘ mit in die Stadt und erfuhr zur Person folgendes …“).

 

Die Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Marianne Birthler, erklärte hierzu, es gäbe in ihrem Haus keine Zweifel daran, dass der IM nach Aktenlage „nur Gregor Gysi gewesen sein“ könne.[19] Der ARD sagte sie, es gebe Erkenntnisse, dass Gysi „wissentlich und willentlich“ die Stasi unterrichtet habe. Klingenstein erklärte, er sei mit niemandem außer Gysi auf der Rückfahrt zusammen gewesen, der Text könne sich daher nur auf Gysi beziehen.

 

Die erfolglose Klage richtete sich ferner gegen die Freigabe von Protokollen, ausweislich derer DDR-Staatschef Erich Honecker Gysi über dessen Vater ausrichten ließ, dieser solle im Rahmen der „juristisch konsequente[n] Verteidigung“ Havemanns als dessen Rechtsanwalt „ein Vertrauensverhältnis zu Havemann her[zu]stellen mit dem Ziel, dass dieser seine Außenpropaganda einstellt“. Dem liegt ein Tonbandbericht in Ich-Form über ein Gespräch bei, das Gysi 1979 mit Havemann führte. („Ich schlug ihm noch einmal vor, jegliche Veröffentlichungen im Westen zu unterlassen und sich allein auf die DDR zu beschränken.“) Die zunächst mit seiner anwaltlichen Schweigepflicht begründete Berufung zog Gysi später zurück.[20]

 

Gysis öffentliche Auftritte 2008

 

Gysi bestreitet nach wie vor, als IM tätig gewesen zu sein: Er sei erstmals 1980 von der Stasi wegen der Möglichkeit einer inoffiziellen Mitarbeit überprüft[21] und 1986 abschließend „zur Aufklärung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit nicht geeignet“ befunden worden.[22] „Im September 1980 legte die Stasi einen Vorlauf an, um zu prüfen, ob ich als IM infrage käme. Wozu einen solchen Vorlauf im Jahr 1980, wenn ich angeblich 1979 bereits IM war?“[23] Eine „inhaltliche Weitergabe des Gesprächs mit Thomas Erwin, allerdings nicht an die Stasi, sondern an das ZK der SED“, schließt Gysi aber nicht mehr aus.[24] Er habe außerdem „erhebliche Verbesserungen für Havemann wie die Aufhebung des Hausarrestes oder die Verhinderung weiterer Anklagen erreicht“.

 

Havemanns Sohn Florian hat Gysi in der Angelegenheit ausdrücklich verteidigt. Am 28. Mai 2008 erklärte er in einem Interview: „Unabhängig von der Frage, ob Herr Gysi IM war, was ich nicht beurteilen kann, hat er im Sinne unseres Vaters gehandelt.“[25] Hingegen stellt Havemanns Frau Katja anhand der Stasi-Unterlagen Gysis Rolle ins andere Licht – und spricht dabei auch über ihre Gewissheit, dass er sich eindeutig hinter IM Gregor und IM Notar verbirgt.[26]

 

Gysi hinterfragte die Glaubwürdigkeit der Akten: Die Bundesbeauftragte habe in einem anderen Fall erklärt, „dass sie die Diskrepanzen zwischen dem Akteninhalt und tatsächlichen Begebenheiten nicht untersuchen dürfe. Die Behörde sei auch nicht befugt, Unterlagen zu bewerten und auch nicht, Wahrheitsfeststellungen zu treffen.“[22]

 

Deutscher Bundestag 2008

 

Am 28. Mai 2008 befasste sich der Bundestag auf Verlangen von CDU/CSU und SPD in der Aktuellen Stunde mit dem „Bericht aus den Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, über vertrauliche Gespräche, die Gregor Gysi 1979/1980 als DDR-Rechtsanwalt mit Mandanten geführt hat“. In der Debatte forderten Abgeordnete der CDU, SPD, Grüne und FDP sowohl Konsequenzen in Form einer Entschuldigung bei den Opfern als auch den Ämterverzicht Gysis.[27][28]

 

Lafontaines Angriff[

 

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine forderte als Konsequenz aus den Äußerungen von Marianne Birthler deren Entlassung.[29] Birthler bekräftigte dagegen, dass die Aktenlage zweifelsfrei zeige, dass Gysi wissentlich und willentlich Informationen an die Stasi geliefert habe. Dies sei gemäß Stasi-Unterlagengesetz entscheidend, als Stasi-Spitzel zu gelten, „unabhängig davon, ob eine Verpflichtungserklärung existiere oder nicht“.[30]

 

ZDF-Beitrag verboten

 

Gegen den entsprechenden ZDF-Beitrag setzte sich Gysi beim Landgericht Hamburg mit einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung und Gegendarstellung zur Wehr. Nachdem das Hamburger Landgericht in erster Instanz gegen Gysi entschied,[31] hob das Hanseatische Oberlandesgericht den Entscheid der Vorinstanz auf. Begründet wurde dies mit einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung und unzureichenden Recherchen im Vorfeld. Gegen dieses Urteil wurden durch das ZDF Rechtsmittel eingelegt. Am 4. September 2009 fällte das Landgericht Hamburg im Hauptsacheverfahren das Urteil, das dem ZDF untersagt, durch die im „heute-journal“ vom 22. Mai 2008 erfolgte Berichterstattung den Verdacht zu erwecken, Gysi habe „wissentlich und willentlich an die Stasi berichtet“.[32] Damit hat das Landgericht Hamburg kein grundsätzliches Verbreitungsverbot im Hinblick auf die streitige Äußerung von Frau Birthler verhängt, sondern den Verbotstenor ausschließlich auf die konkrete Darstellungsform in der Sendung „heute-journal“ vom 22. Mai 2008 beschränkt.[33] Im Berufungsverfahren zum weitergehenden Antrag Gysis auf einstweilige Verfügung bestätigte das Oberlandesgericht Hamburg am 8. September 2009 sein Urteil, in welchem dem ZDF überhaupt verboten wird, die Äußerungen Birthlers bestätigend zu verbreiten.[34][35] In der darauf folgenden Berufungsverhandlung wurde im Urteil vom 23. März 2010 vom OLG Hamburg dieses Verbot bestätigt und eine Revision nicht zugelassen.[36] Eine Beschwerde des ZDF gegen die Nichtzulassung dieser Revision wurde am 20. September 2011 vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.[37]

 

Ausweitung der Ermittlungen 2013

 

Wegen neuer Hinweise hat die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen gegen Gysi ausgeweitet. Ermittelt wird wegen einer möglicherweise falschen eidesstattlichen Versicherung. Gysi hatte erklärt, „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet zu haben“.[38][39]

 

Fortsetzung der ARD/NDR-Dokumentation

 

Der Rechtsstreit um den ersten Film Die Akte Gysi, der im Januar 2011 in der ARD ausgestrahlt wurde, endete mit einem Vergleich, in dem sich der NDR verpflichtete, ihn nicht mehr zu zeigen. Die NDR-Autoren Hans-Jürgen Börner und Silke König setzten ihre Recherchen fort und legen weitere Einzelheiten zu Gysis DDR-Vergangenheit vor – auch (u.a.) zu Gysis Rolle in Fällen von Rudolf Bahro, Robert Havemann, Thomas Klingenstein, Rolf Henrich – ihren zweiten Film Gysi und die Stasi strahlte die ARD im Dezember 2013 aus.[26][39][40][41]

 

Justiz-Eklat 2015

 

Nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ erteilte der Hamburger Generalstaatsanwalt Lutz von Selle die Weisung, Gregor Gysi anzuklagen. Anklagepunkt war der Verdacht, die von ihm am 18. Januar 2011 abgegebene eidesstattliche Versicherung sei unwahr. Die Ermittlungen hatten Anfang 2013 begonnen. Ausgangspunkt waren Anzeigen Vera Lengsfelds und eines ehemaligen Richters. Der zuständige ermittelnde Staatsanwalt weigerte sich, Anklage zu erheben, weil kein hinreichender Tatverdacht vorliege und damit die Weisung unrechtmäßig sei. Die Hamburger Justizbehörde unter Justizsenator Till Steffen, bei der sich der Staatsanwalt beschwert hatte, hob die Weisung des Generalstaatsanwalts auf.[42] Georg Mascolo und Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung und andere Journalisten bezeichneten die Vorgänge als in der Justizgeschichte einmaligen Eklat.[43]

 

Einstellung des Verfahrens

 

Im Juni 2016 wurde das Verfahren gegen Gysi von der Hamburger Staatsanwaltschaft eingestellt. Die eidesstattliche Erklärung, in der er die Mitarbeit bei der Stasi bestritt, ließ sich durch die Staatsanwaltschaft nicht widerlegen. Zwar konnten in den Unterlagen Hinweise auf eine mögliche Tätigkeit für die Stasi unter den Decknamen Gregor oder Notar gefunden werden, doch ließen diese unterschiedliche, teilweise widersprüchliche Interpretationen zu und auch durch Zeugenaussagen sowie die Aufzeichnungen des Generalbundesanwaltes wurde kein eindeutig belastendes Material gefunden.[44]

 

Politische Positionen

 

Im Wahlkampf 2013 behauptete Gysi, in Deutschland gelte noch immer das Besatzungsstatut. So forderte Gysi im Interview mit dem Deutschlandfunk ein Ende der Besatzung Deutschlands und die Aufhebung des Besatzungsstatuts, damit Deutschland endlich als Land souverän werden könne.[45] Gysi wiederholte diese Forderungen in Interviews mit dem Tagesspiegel,[46] bei Phoenix[47] und bei TV Berlin.[48] Im Jahr 2015 antwortete er auf die Frage, ob Deutschland noch besetzt sei, mit „nein“ und äußerte, dass die Bundesrepublik Deutschland ein souveräner Staat sei, sich aber nicht so benähme; nahm in diesen Zusammenhängen aber nicht zum Besatzungsstatut Stellung.[49]

 

Gysi kritisierte 2013 die Bundesregierung scharf, dass sie nichts dagegen unternehme, dass die Five Eyes in Deutschland Bürger, Politiker und Unternehmen ausspähten. Edward Snowden habe den Friedensnobelpreis verdient.[50] Diese Rede im Bundestag wurde von der Universität Tübingen als „Rede des Jahres 2013“ ausgezeichnet.[51]

 

Herkunft, Familie und Privates

 

Gregor Gysi stammt aus einer Berliner Familie, deren Stammvater, der Seidenfärber Samuel Gysin (* 1681), im frühen 18. Jahrhundert aus Läufelfingen (Schweiz) eingewandert war.[52] Gysi hat auch jüdische Vorfahren, so einen jüdischen Urgroßvater mütterlicherseits und eine jüdische Großmutter väterlicherseits.[53] Gregor Gysis Vater Klaus Gysi (1912–1999) war somit nach der Halacha jüdisch, Gregor Gysi selbst hingegen nicht.

 

Klaus Gysi, studierter Ökonom, trat 1931 der KPD bei und arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR als Botschafter, Kulturminister und Staatssekretär für Kirchenfragen. Er war auch für die Staatssicherheit als IM Kurt tätig.

 

Mütterlicherseits stammen Gregor Gysis Vorfahren aus der jüdischen Kaufmannsfamilie Lessing, die aus der Nähe von Bamberg kam und zeitweise in Sankt Petersburg lebte und tätig war. Sein Urgroßvater war der nach St. Petersburg ausgewanderte Industrielle Anton Lessing, sein Urgroßonkel der Gründer der Bamberger Hofbräu AG Simon Lessing. Irene Gysis Großvater mütterlicherseits Gottfried Lessing, Anton Lessings Sohn, ein in Russland lebender Hütteningenieur, heiratete die deutsch-russische Adelige Tatjana von Schwanebach. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder: Gregor Gysis Mutter Irene (1912–2007)[54] und Gottfried Lessing (1914–1979), der zweite Ehemann der späteren Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing.[55][56] Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Familie aufgrund ihrer deutschen Herkunft nach Deutschland ausgewiesen.

 

Die Eltern von Gregor Gysi hielten sich während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland auf. Das Paar war im Auftrag der KPD im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und heiratete 1945; die Ehe wurde nach 14 Jahren geschieden.

 

Die Mutter Irene Gysi (geborene Lessing) war im Kulturministerium der DDR für den Austausch mit dem Ausland zuständig und leitete später die ostdeutsche Filiale des Internationalen Theaterinstituts.

 

Als Kind wurde Gregor Gysi zeitweise als Synchronsprecher eingesetzt. Seine Schwester Gabriele Gysi (* 1946) ist Schauspielerin, sie lebte bereits seit 1985 in der Bundesrepublik.

 

Gysis erste Ehe endete mit einer Trennung Anfang der 1970er Jahre. In zweiter Ehe war Gysi seit 1996 mit der Rechtsanwältin und Politikerin Andrea Gysi verheiratet, von der er seit November 2010 getrennt lebte und 2013 geschieden wurde.[57] Er hat drei Kinder; einen Sohn aus erster Ehe, eine Tochter aus zweiter Ehe und einen Adoptivsohn.[58][59]

 

Nachdem Gregor Gysi im Jahr 2004 bereits zwei Herzinfarkte erlitten hatte, musste er sich im November 2004 wegen eines Hirnaneurysmas einer Operation unterziehen. Infolge dieses Eingriffs erlitt er einen dritten Herzinfarkt.

 

Gysi bezeichnet sich als nicht gläubig und ist konfessionslos.[60]

 

Gregor Gysi ist Mitglied des 1. FC Union Berlin.[61]

 

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